Sandbauerschaft

Aus Norder Stadtgeschichte
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Sandbauerschaft

Wappen
Basisdaten
Fläche ca. 12-13,5 km²
Einwohner 3.896 (Stand: 1914)
Gründung vermutlich um 884
Eingemeindung 1. April 1919

Die Sandbauerschaft war bis zu ihrer Eingliederung zum 1. April 1919 in die Stadt Norden eine selbständige Gemeinde mit mehreren Ortschaften, die den Stadtkern wie ein Dreiviertelring umschlossen. Ihre ehemaligen Ortsteile Ekel, Lintel und Westgaste, sind noch heute im alltäglichen Sprachgebrauch wichtige Ortsbezeichnungen.

Fälschlicherweise wird die Gemeinde manchmal auch Sandbauernschaft genannt.

Namensherkunft

Der Name, welcher 1824 erstmalig amtlich erwähnt wird, umschreibt den Zusammenschluss der auf dem Sand siedelnden Bauern, die sich zu einer Bauerschaft (Gemeinwesen mehrerer Höfe) zusammengeschlossen hatten. Die Sandbauern waren also jene Bauern, die auf dem sandhaltigen Boden der Norder Geestinsel siedelten und das Land dort bestellten. Ihnen gegenüber standen die Marschbauern der tieferliegenden Marschgebiete: Westermarsch I (Erste Marschbauerschaft der Westermarsch), Westermarsch II (Zweite Marschbauerschaft der Westermarsch), Ostermarsch und Lintelermarsch.

Die Norder Geestgebiete liegen beträchtlich höher als die Marschgebiete, da ihre Böden aus eingetragenen eiszeitlichen Sandablagerungen bestehen. Sie waren zwar bedeutend weniger fruchtbar, lagen dafür jedoch weiter über dem Meeresspiegel und waren somit vergleichsweise sturmflutsicher.

Im Gegensatz zu den Namen aller anderen nach Norden eingegliederten Gemeinden spielt der Begriff Sandbauerschaft heute im amtlichen Sprachgebrauch keine Rolle und ist aus dem Bewusstsein der Bevölkerung weitestgehend verschwunden. Die Namen der ehemaligen Ortsteile (Ekel, Westgaste, ...) hingegen haben sich zumindest in der Alltagssprache erhalten und dienen als Orientierungspunkte.

Wappen

Es existieren keine Belege darüber, dass die Sandbauerschaft je ein Wappen geführt hat. Es ist davon auszugehen, dass kein Wappen geführt wurde, da es sich um eine eher unbedeutende Landgemeinde handelt. Allerdings präsentierten die ansässigen Adelsgeschlechter die Sandbauerschaft durch ihre Wappen.

Bevölkerungsentwicklung

Jahr Einwohner
1824 1.039
1848 1.290
1875 1.767
1892 2.562
1895 2.446
1900 3.023
1910 3.415
1914 3.896

Aufgrund mangelnder Belege aus der früheren Zeit kann eine genauere Bevölkerungsentwicklung nicht nachgewiesen werden. Für das Jahr 1848 sind gemäß statistischem Handbuch des Königreichs Hannover (Ostfriesland war zu dem Zeitpunkt ein Teil Hannovers) eine Einwohnerzahl von 1.290 nachgewiesen, die sich auf 201 Wohngebäude verteilten.[1] Ein durchschnittlicher Haushalt bestand folglich aus sechs bis sieben Personen.

Geografie

Die Sandbauerschaft umschloss den Norder Stadtkern in einem Dreiviertelring und bestand aus mehreren Streusiedlungen. Die nahezu gänzlich auf der Geest liegenden Siedlungen zählten zu den früher besiedelten Gebiete, da sie höher lagen als das Marschland und daher besser vor den Fluten geschützt waren. Die Altstadt befindet sich gar vollständig auf der Geest, die hier daher auch als Norder Geestinsel bezeichnet wird. Zur Sandbauerschaft gehörten folgende Ortschaften (auch Rotten genannt), Wohnplätze und Güter:

Ortschaften: Ekel, Fremouthswarf, Hohe Gaste, Hollweg, Kolkweg, Laukeriege, Mackeriege, Martensdorf, Mühlenlohne, Ostlintel, Westlintel, Westgaste, Wildbahn sowie die westlichen Bereiche der Westerstraße, ungefähr ab der Weberslohne

Wohnplätze: Escher, Korndeich und Sandweg

Güter: Gut Barenbusch, Gut Ekel, Gut Wirde, Selden Rüst und Ziegelei

Die politischen bzw. geografischen Grenzen dieser Ortschaften, Wohnplätze und Güter lassen sich nur schwer festlegen. Die verstreuten Siedlungen wuchsen vor allem nach der Eingemeindung mit der Kernstadt und untereinander zusammen. Hinzu kamen im Vorfeld immer weitere Landkäufe der Stadt, um das eigene, sehr begrenzte Territorium zu erweitern. Konkrete, amtliche Begrenzungen innerhalb der Sandbauerschaft hat es daher wohl nie gegeben, weshalb keine genauen Grenzen zwischen den einzelnen, miteinander und mit der Altstadt verwachsenen Ortsteile gezogen werden können. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass weite Teile, die heute im Allgemeinen zu Norden gezählt werden, ursprünglich Bestandteil der Sandbauerschaft waren und dass sich beispielsweise manch Bewohner von Ostlintel eher Ekel zugehörig fühlt und umgekehrt.

Im Adressbuch der Sandbauerschaft von 1912 werden folgende Straßen der Gemeinde zugehörig aufgeführt:[2]

Achterum, Alleestraße, Badestraße, Barenbuscher Weg, Baumstraße, Brauhausstraße, Ekeler Gaste, Ekeler Weg, Feldpfad, Flökershauser Weg, Vor dem Friedhof, An der Gartenallee, Gartenfeld, Glückauf, Grüner Weg, Heitsweg, Hollander Weg, Im Hooker, Kampweg, Kolkbrücker Weg, Kurzer Weg, Laukeriege, Looger Weg, Mackeriege, Mahnland, Martensdorf, Mühlenlohne, Ostermarscher Straße, Parkstraße, Rosenweg, Schulstraße, Im Spiet, Teltingskamp, Weidenweg, An der Welle, Ende der Westerstraße, Westlinteler Weg, In der Wirde, Ziegeleistraße.

Die Straße Achterum wurde später in Verbindungsweg und danach in Akazienweg umbenannt. Die Badestraße war keinesfalls identisch mit der heutigen Badestraße in Norddeich, sondern umfasste vielmehr den zur Sandbauerschaft gehörenden Teil der Hohenzollernstraße bzw. Norddeicher Straße.

Geschichte

Die historischen Theele in der Bucht von Hilgenriedersiel, die von der Theelacht verwaltet wurden.

Die Entstehung der Sandbauerschaft scheint in einem relativ engen Kontext mit der Entstehung der Theelacht zu stehen. Die führenden Adelsgeschlechter (auch: Ethelingsgeschlechter), die ihre Sitze an den Geesträndern der Norder Altstadt hatten, hatten in der Bucht von Hilgenriedersiel, wo die legendäre Schlacht von Nordendi gegen die Normannen bzw. Wikinger im Jahre 884 stattgefunden haben soll, mehrere sogenannte Uthöfe, also Außenhöfe, von denen aus sie die umliegenden, fruchtbaren Landstriche bewirtschafteten. Deshalb wurden die von den siegreichen Friesen verteidigten bzw. zurück eroberten Landstriche auch stolz entsprechend der Herkunft ihrer Herren benannt: (West-)Gaster Theel, Linteler Theel, Ekeler Theel und Neugroder Theel.[3]

Die ältesten, gesicherten Belege über eine Besiedlung des Gebiets der Sandbauerschaft stammen indes erst aus dem späten 12. Jahrhundert. Zu dieser Zeit errichtete der katholische Benediktinerorden das Kloster Marienthal auf dem Gelände der heutigen Seniorenwohnanlage der AWO Norden, das geografisch zu Ostlintel zählt. Das dazugehörige Land reichte von der Altenwohnanlage bis zur nordöstlichen Ecke des Norder Marktplatz. An das Kloster und seine Umlande erinnern heute noch die Bezeichnung Klosterstraße sowie eine Statue der Heiligen Maria auf dem Gelände der Wohnanlage.

Ab etwa dem 13. Jahrhundert erbauten die in der Stadt residierenden und herrschenden Häuptlings- und Edelfamilien mehrere Wehrtürme und Steinhäuser ringförmig um die Stadt, um diese bei Angriffen besser verteidigen zu können. Eine Stadtmauer hat es in Norden vor allem wegen mangelnder Steinvorkommen nie gegeben. Bereits anhand dieser Umstände ist das Gemeinwesen zwischen Sandbauerschaft und Stadt gut erkennbar. Auch die Tatsache, dass die Ludgerikirche ursprünglich die Kirche der Norder Umlandgemeinden und die benachbarte Andreaskirche für die Stadtbewohner war, lässt dies erkennen.

Um diese Wehranlagen siedelten sich Menschen an, die sich im Laufe der Zeit zu einzelnen Bauerschaften zusammenschlossen. Einige dieser Höfe hatten Vorwerke, also Außenhöfe, die der Versorgung dienten. Ein Beispiel dafür ist das Ekeler Vorwerk. Aus den einzelnen, um die Wehrhäuser befindlichen Siedlungen, wiederum formten sich im Laufe der Zeit kleine und größere Ortschaften, von denen die drei größten entsprechend der geografischen Gegebenheiten benannt wurden. Der Ort auf der westlichen Gaste wurde Westgaste genannt, der um- bzw. besiedelte Eichenwald (niederdeutsch: Eckeloh) im Osten Ekel und der Lindenwald (Linteloh) im Norden Lintel, wobei diese Ortschaft wegen ihrer Größe in Ostlintel und Westlintel zerfiel. Ob auch die im Süden der Stadt liegende Addinggaste historisch zur Sandbauerschaft gehörte, ist unklar, da keine frühen Belege über diese im späten 14. Jahrhundert überschwemmte Ortschaft finden lassen.

Neben diesen Hauptorten gab es eine Reihe kleiner Nebenorte, die vor allem administrative Bedeutung hatten. Hierzu zählten unter anderem Hollweg und Martensdorf. Auch größere Wohnplätze wie Selden Rüst wurden oftmals eigenständig genannt, obwohl beispielsweise letzterer in Westgaste liegt.

Alle Orte, Güter und Plätze, die sich später zur Sandbauerschaft vereinten, führten bis ins 18. Jahrhundert hinein ein starkes Eigenleben. Wann genau der Zusammenschluss dieser ehemaligen Ortschaften zur Sandbauerschaft erfolgte, lässt sich nicht mehr feststellen. Um 1824 erscheint nach der Beschreibung Fridrich Arends’ die Sandbauerschaft als bedeutender Teil der Untervogtei Lintel. Ihre Einwohnerzahl wird mit 1.039 angegeben.

Alle Orte, Plätze und Güter haben gemein, dass sie hauptsächlich auf der Geest liegen. Sie standen damit im Gegensatz zu den Bewohnern der Marsch. Da Marschboden wesentlich fruchtbarer ist, waren die Bewohner der Sandbauerschaft zumeist ärmer als die äußerst reichen Marschbauern, wenngleich auf dem sandigen Boden Kartoffeln oder Zichorien besser gedeihten. Viele Bewohner verdingten sich dennoch auf den Höfen der umliegenden Marschgebiete, um über die Runden zu kommen. Funde einer mittelalterlichen Siedlung in Ekel deuten jedoch zumindest auch auf eine arbeitsteilige Beziehung des Geestortes mit der Bevölkerung der umliegenden Marsch hin. Der wesentliche Vorteil der Sandbauern hingegen bestand darin, dass sie ihre Höfe und Ländereien kaum oder gar nicht gegen Sturmfluten zu sichern hatten. Die Marschbauern hingegen mussten ihre Höfe auf Warften errichten, die jedoch nicht die Ländereien vor den Fluten schützten. Auch die später entstehenden Deiche boten aufgrund ihrer unzureichenden Befestigung manchmal keinen Schutz vor dem Fluten, wie zahlreiche Katastrophen - so etwa die Erste Dionysiusflut - eindrucksvoll belegen.

Nach dem Statistischen Handbuch für das Königreich Hannover hatte der Gemeindeverband Sandbauerschaft im Jahr 1848 insgesamt 1.290 Einwohner. Zu den zahlenstärkeren Ortsteilen gehörten die Ortschaften Hollweg (179) und Ostlintel (166), das Dorf Ekel (158), die Ortschaft Westgaste sowie der auch als Vorstadt bezeichnete Bereich am Ende der Westerstraße (154).[4] Um 1892 ist die Sandbauerschaft mit 2.562 Einwohnern die drittgrößte Kommune im Kreis Norden. Größer waren nur die Stadt Norden (6.759 Einwohner) und die Inselgemeinde Norderney (3.615 Einwohner).[5] 1895 wird eine ortsanwesende Bevölkerung von 2.446, 1900 von 3.023 angegeben. Zehn Jahre später zählte die Sandbauerschaft 3.415 und bei Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 bereits 3.896 Einwohner.[6]


Nach dem siegreichen Deutsch-Französischen Krieg (1870-1871) setzte eine wirtschaftliche Blüte in Norden ein, die dazu führte, dass die Stadt neue, kostenintensive Projekte ins Auge fasste. Da die kleine Stadt mit ihren gerade einmal 90 Hektar (0,9 km²) Größe dafür keinerlei Platz besaß, kam wohl erstmals der Gedanke der Vereinigung mit der Sandbauerschaft auf, die die Stadt in einem (nördlichen) Dreiviertelring von Westen nach Osten umspannte. Da diese Plände wegen widerstreitender Interessen (vorerst) nicht umsetzbar waren, erwarb die Stadt einige Gebiete von der Sandbauerschaft, so etwa große Flächen in Ostlintel für die Schaffung des Neuen Friedhofs oder den Bau einer Höheren Töchterschule sowie eines Krankenhauses. Auch von der, bis 1972 ebenfalls noch eigenständigen, Gemeinde Westermarsch I erwarb man einen Teil des Vierzig Diemat genannten Gebiets und errichtete hier einen Schlachthof und ein Gaswerk.[7][8]

Die Ortschaft Hollweg um 1900.

1911 wurden die Bestreben immer konkreter, da die Stadt kaum mehr eigenen Platz besaß, den sie so dringend für die Expansion benötigte. Man wollte sich zudem nicht weiter mit einfachen Landkäufen begnügen, sondern strebte eine vollständige Verschmelzung an.[2][9] Die Sandbauerschaft weigerte sich jedoch beharrlich und langwierige Verhandlungen erzielten kein fruchtbares Ergebnis.[9] Im Jahre 1914 wurde die Frage der Eingemeindung dann jedoch wieder akut, da sich zwischenzeitlich die Regierungsbehörde in Aurich eingeschaltet hatte. In einer Kommissionssitzung wurden die größten Streitpunkte festgelegt.[9] Besonders strittig war die Frage, ob es den Einwohnern der Sandbauerschaft auch nach dem Zusammenschluss erlaubt bleiben sollte, Hausschlachtungen durchzuführen, die für sie existenziell waren, für die Stadt aber schon allein aus hygienischen Gründen als kritisch galten.[9][10] Zudem war der Stadt sehr daran gelegen, dass wegen der zu erwartenden Einnahmen alle Schlachtungen im Schlachthof durchgeführt werden würden.[9]

Nach dem Ersten Weltkrieg kam es in Preußen zu einer Kommunalreform, in deren Folge die Sandbauerschaft unter ihrem Bürgermeister Popke Fegter, der sich bereits seit längerem mit der der bereits seit vielen Jahren bestehende Eingemeindungsfrage beschäftigte, zum 1. April 1919 ihre Eigenständigkeit verlor und nach Norden eingemeindet wurde.[11][10] Der Eingemeindung nach Norden gingen konfliktreiche Verhandlungen voraus. Die Gemeinde kam der Zwangseingemeindung zuvor, indem sie bereits von Dezember 1918 bis Januar 1919 neue Verhandlungen führten, anderen Ende man schließlich einer Eingemeindung zustimmte.[9] Der Eingemeindungsvertrag wurde am 31. Januar 1919 unterzeichnet.[2] Neben der Weitsicht der Beteiligten dürfte sicherlich auch die wirtschaftliche schwierige Lage der Nachkriegszeit eine Rolle gespielt haben. In Bezug auf die Hausschlachtungen einigte man sich übrigens auf einen Kompromiss, dass nur gewerbliche Schlachtungen im Schlachthof durchzuführen seien, während private weiterhin im eigenen Haushalt erlaubt seien.[10] Übrigens: Auch in anderen Teilen Preußens wurde eine Kommunalreform umgesetzt. Beispielsweise wurde die Stadt Wilhelmshaven am gleichen Tag vom Landkreis Wittmund getrennt.

Verwaltung und Politik

Die Verwaltung der Gemeinde hatte ihren Sitz in den Vorderräumen der Alleestraße 33 in Westgaste.[12] Der Verwaltung stand ein Gemeindevorsteher vor. Letzter Amtsträger vor der Eingemeindung war Popke Fegter. Dieses Amt war jedoch nur ehrenamtlicher Natur. Die Verwaltungsgeschäfte selbst wurden von zwei Büroangestellten und einem Gemeindediener geleitet, die nach der Eingemeindung in die Dienste der Stadt übernommen wurden.[13]

Bei den Wahlen zur Deutschen Nationalversammlung am 19. Januar 1919, bei der erstmals auch Frauen wählen durften, konnte die Deutsche Demokratische Partei (DDP) 378 und die Deutsche Volkspartei (DVP) 157 der Wahlstimmen auf sich vereinigen. Die Mehrheitssozialisten erhielten 993 Stimmen, die Unabhängige Sozialistische Partei nur 38.[14]

Bildung

Lange Zeit hat es in der Sandbauerschaft keine regulären Schulen gegeben, was jedoch für eine bäuerliche Landgemeinde nicht unüblich war. Vor 1848 existierten lediglich mehrere Privatschulen, darunter die Alte Schule in Lintel (vermutlich Ecke Linteler Straße / Parkstraße im Hus der Korbmachers Lerbs[15]), die Privatschule Westlintel (von strenggläubigen Reformierten gegründet) sowie die Winkelschule von Gerd Dirk Aper Westerstraße / Hohe Gaste). Spätestens seit Mitte des 19. Jahrhunderts war durch die Gasthausschule erstmals ein öffentliches Schulwesen nachweisbar[2], wenngleich bereits im Kloster Marienthal und im Kloster Norden Unterricht erteilt wurde und es auch in Norden bereits Schulen gab.

Ab 1878 gehörte der Gemeinde die Zingelschule, die aus der Klosterschule bzw. Gasthausschule hervorging. 1897 bis 1898 erbaute die Gemeinde die Ekeler Schule und die Westgaster Schule als weitere Lehreinrichtungen. 1912 folgte mit der Gräfin-Theda-Schule die letzte von der Sandbauerschaft errichtete Schule.

Heute befinden sich auf dem Gebiet der ehemaligen Gemeinde eine ganze Reihe von Bildungseinrichtungen, die zwischen den 1950er und 1970er Jahren erbaut wurden. Dazu gehören neben die Conerus-Schule an der Schulstraße,[16] die Grundschulen Im Spiet und in Lintel sowie die beiden Norder Schulzentren in Ekel und an der Wildbahn.

Religion

Innerhalb der Gemeinde hat es keine Kirchen gegeben. Vielmehr war die Ludgerikirche die Kirche der Norder Umlandgemeinden. Auch wurden die Toten der Sandbauerschaft auf dem Alten Friedhof, später dem Neuen Friedhof bestattet. Archäologische Funde lassen allerdings auf einen Alten Friedhof in Westgaste schließen.[17]

Auf dem Gebiet der Sandbauerschaft existierte allerdings ein weiterer Sakralraum, die sogenannte Gasthaus- oder Armenhauskirche, eine Filiale der Norder Ludgerigemeinde. Unbekannt ist nicht nur ihre Architektur; ungewiss ist auch, ob sie ausschließlich dem Armenhaus und der angeschlossenen Schule als Andachtsstätte diente oder aber auch anderen Einwohnern der Sandbauerschaft zur Verfügung stand. Die Reformierten aus Norden und Umgebung nutzten 1579 die Gasthauskirche mit Erlaubnis des ostfriesischen Grafen Johann als Gottesdienststätte. Erst 100 Jahre später erhielten sie die Genehmigung, in Bargebur eine eigene Kirche zu errichten. Reformierte Sandbauerschafter waren dorthin eingepfarrt.[18]

Katholische Christen gab es nach der Reformation in Norden und Umgebung nur wenige. Sie trafen sich anfangs im Untergrund, ab 1720 in einer Hauskapelle an der Sielstraße, ab 1864 an der Osterstraße 20 in einer neu erbauten Kapelle und ab 1885 in einem neuen Gotteshaus, der St.-Ludgerus-Kirche.[19] Nach einer Erhebung von 1875 waren von 1.767 Einwohnern 1683 evangelisch-lutherischer und 69 evangelisch-reformierter Konfession. Außerdem wurden fünf Katholiken gezählt (1899 waren es bereits 32[20]) und 10 Christen anderer Richtung.[21]

Gesundheit und Soziales

Die Sandbauerschaft war dem Armenverband Norden zugeordnet. In früheren Jahren war es üblich, dass die soziale Wohlfahrt von den Kirchen wahrgenommen wurde. Erst wesentlich später ging diese Aufgabe auf den Staat über.

Wirtschaft und Infrastruktur

Bis in das 19. Jahrhundert war die Sandbauerschaft faktisch eine reine Agrargemeinde. Da der sandreiche Boden wenig fruchtbar war, war die Auswahl an Pflanzen, die zu einer ertragreichen Ernte führten, sehr überschaubar. Von nicht unerheblicher Bedeutung war dabei der Anbau von Zichorien. Viele Bewohner der Sandbauerschaft verdingten sich zudem als Landarbeiter auf den Bauernhöfen in der Marsch.[22] Eine bedeutende Rolle im Wirtschaftsleben der Sandbauerschaft spielte zudem der Gemüseanbau. Er diente nicht nur der Selbstversorgung. Mitte des 19. Jahrhunderts waren sowohl die Stadt Norden als auch die Insel Norderney maßgeblich davon abhängig. Es waren vor allem die Besitzer kleiner Gärten, die Gemüse zogen und die Ernte dann als Hausierer verkauften.[23]

Noch bis in die Zeit nach der Eingemeindung nach Norden verwendete man in der Gemeinde Petroleum als Beleuchtungsmittel. Eine Gas- und Stromversorgung wurde erst in den Folgejahren realisiert. Die Wasserversorgung folgte gar erst gegen Ende der 1930er Jahre.[24]

Neben verschiedenen Handwerksbetrieben verfügte der Ort über vier Windmühlen: Die Ekeler Mühle (nicht mehr vorhanden), die Linteler Mühle (nicht mehr vorhanden), die Silbermühle (nicht mehr vorhanden) an der damaligen Badestraße (heute Norddeicher Straße) und die Westgaster Mühle[25], die als einzige der Sandbauerschafter Ortsmühlen noch existiert. Einige Jahrzehnte spielten zahlreiche Brennereien innerhalb der Sandbauerschaft eine bedeutsame wirtschaftliche Rolle. Ihr Ende kam Schritt um Schritt mit der 1806 erfolgten Gründung der Genever-Firma Doornkaat durch den Groninger Mennoniten Jan ten Doornkaat Koolman. Die letzte Sandbauerschafter Schnapsbrennerei, die Sprit-Fabrik Philadelphia in Ekel, schloss 1867.[26]

Die Sandbauerschaft war aber auch Sitz größerer Fabrikationsstätten. Bedeutendste war die Norder Eisenhütte, die 1850 auf dem Gelände der Osterburg errichtet wurde und die zeitweilig bis zu 300 Arbeitsplätzen verzeichnete. Firmengründer war Julius Meyer (1817-1863), Gutsbesitzer sowie Inhaber beziehungsweise Geschäftsführer mehrerer Eisenhütten im Osnabrücker Raum. Unter ihnen war auch die Hütte des Georgs-Marien-Bergwerks- und Hüttenvereins. Im Jahr 1848 reiste Meyer zu einem Kuraufenthalt nach Norderney. Bei einer Zwischenübernachtung in der Stadt Norden lernte er deren Hafen als Umschlagplatz für Kohle aus England kennen. Die Frachtsegler, die er dort sah, brachten ihn auf den Gedanken, in Ostfriesland eine Eisenhütte zu errichten und die dazu notwendigen Güter Koks und Roheisen mit ihrer Hilfe aus Großbritannien einzuführen. Nur ein gutes Jahr später gründete er mit zwei Geschäftsfreunden die Hüttenfirma Julius Meyer & Co. Gemeinsam erwarben sie das direkt an der Stadtgrenze zu Norden gelegene Gelände. Im März 1850 erfolgte der erste Guss. Während in der Anfangsphase die Produktionspalette hauptsächlich aus Drahtstiften und gusseisernen Maschinenteilen bestand, spezialisierte sich später auf die Herstellung von sogenanntem Ofenguss. Hauptabsatzgebiete der Norder Eisenhütte waren in den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens vor allem die Hansestädte Hamburg, Bremen und Lübeck. Der Transport der Ware erfolgte zunächst per Schiff und ab dem Ende des 19. Jahrhunderts auch über einen eigenen Gleisanschluss.[27]

In Westgaste entstand um 1882 die Doornkaat Bierbrauerei. Ihre Gründerväter waren die Brüder Hermann und Jacobus ten Doornkaat Koolman. Nach einer Bauzeit von rund zwei Jahren wurde ab 1884 auf dem etwa vier Hektar großen Gelände helles und dunkles Bier mit Münchener und Pilsener Charakter gebraut. In milden Wintern musste man, um die notwendige Kühlung zu gewährleisten, über den Norder Hafen Eis aus Skandinavien einführen. 1922 erwarb die Hamburg-Altonaer Bavaria-Brauerei die Produktionsstätte.[28] Die Brauerei wurde später abgerissen. An sie erinnert nur noch die dortige Straßenbezeichnung Brauhausstraße.

Einzelnachweise

  1. Statistisches Handbuch für das Königreich Hannover von 1848
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 Lottmann, Elfriede (1998): Fast vergessen: Die Sandbauerschaft. In: Heim und Herd im Ostfriesischen Kurier (April 1998)
  3. Die Geschichte der Norder Theelacht, abgerufen am 7. September 2021
  4. Friedrich W. Harseim, C. Schlüter (Hrsg.): Statistisches Handbuch für das Königreich Hannover. Hannover 1848. S. 40
  5. Königlich-statistisches Bureau (Hrsg.): Viehstandslexikon für den preußischen Staat. Berlin 1895. S. 94
  6. Gerda Fegter (Hrsg.) / Heinz Ramm: Popke Fegter. 1874–1946. Sein Leben und Wirken im Norderland. Soltau-Kurier: Norden 1989. S. 52
  7. Sanders, Adolf (1999): Norden - wie es früher war, Gudensberg, S. 30
  8. Ramm, Heinz (1989): Popke Fegter (18741946). Sein Leben und sein Wirken im Norderland, Norden, S. 51
  9. 9,0 9,1 9,2 9,3 9,4 9,5 Ramm, Heinz (1989): Popke Fegter (18741946). Sein Leben und sein Wirken im Norderland, Norden, S. 52
  10. 10,0 10,1 10,2 Haddinga, Johann (2001): Norden im 20. Jahrhundert, Norden, S. 20
  11. Ramm, Heinz (1989): Popke Fegter (1874-1946). Sein Leben und sein Wirken im Norderland, Norden, S. 15
  12. Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 102
  13. Ramm, Heinz (1989): Popke Fegter (1874-1946). Sein Leben und sein Wirken im Norderland, Norden, S. 61
  14. Ramm, Heinz (1989): Popke Fegter (18741946). Sein Leben und sein Wirken im Norderland, Norden, S. 54
  15. Gerhard Canzler: Die Norder Schulen. Verlag H. Risius: Weener 2005. S. 73 (mit Bild)
  16. Internetauftritt der BBS Norden; eingesehen am 1. Januar 2022
  17. Imhoff, Mathilde (1985): Die Flurnamen der Deutschen Grundkarte (DGK5) 2409/1 Norden West, in: Heim und Herd, Beilage zum Ostfriesischen Kurier, 25. Mai 1985, Nr. 56
  18. Lütetsburg-Norden.reformiert.de: Die Geschichte der Gemeinde; eingesehen am 10. Januar 2022
  19. Ufke Cremer, Johann Haddinga: Norden. Die Stadtchronik. Verlag Soltau-Kurier: Norden 2001. S. 80f
  20. Anton Iganz Klefner u. a.: Der Bonifatius-Verein. Seine Geschichte, seine Arbeit und sein Arbeitsfeld. 1849–1899. Festschrift zum fünfzigjährigen Jubiläum des Vereins. Verlag der Bonifacius-Druckerei (J. W. Schröder): 1899. S. 96
  21. J. Fr. de Vries, Th. Focken: Ostfriesland. Land und Volk in Wort und Bild. Verlag von W. Haynel: Emden 1881. S. 433
  22. Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 253
  23. Königliche Landwirthschafts=Gesellschaft zu Celle (Hrsg.): Festschrift zur Säcularfeier der Königlichen Landwirthschafts=Gesellschaft zu Celle am 4. Juni 1864. Zweite Abtheilung: Beiträge zur Kenntniß der landwirthschaftlichen Verhältnisse im Königreich Hannover. Hannover 1864. S. 254
  24. Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 295
  25. Vorlage:Webarchiv, abgerufen am 29. September 2024
  26. Gerhard Canzler: Doornkaat. Eine Firmenchronik. Selbstverlag: Norden [oJ, 2001?]. S. 44
  27. Gerda Fegter (Hrsg.), Heinz Ramm: Popke Fegter. 1874–1946. Sein Leben und Wirken im Norderland. Soltau Kurier: Norden 1999. S. 95–99
  28. Gerhard Canzler: Doornkaat. Eine Firmenchronik. Selbstverlag: Norden [oJ, 2001?]. S. 76;93

Quellenverzeichnis

  • Arend, Fridrich (1824): Erdbeschreibung des Fürstenthums Ostfriesland und des Harlingerlandes, Emden, S. 396
  • Cremer, Ufke (1955): Norden im Wandel der Zeiten, Norden, S. 20f.
  • Remmers, Arend (2004): Von Aaltukerei bis Zwischenmooren. Die Siedlungsnamen zwischen Dollart und Jade, Leer 2004, S. 191
  • Statistisches Handbuch für das Königreich Hannover von 1848

Siehe auch