Zingelschule
Zingelschule | |
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Basisdaten | |
Entstehungszeit | 1850 |
Erbauer | Armenverband Norden |
Bauweise | Ziegelsteinbau |
Entwidmung | 1956 |
Erhaltungszustand | 1972 abgebrochen |
Genaue Lage | Am Zingel 18
26506 Norden |
Die Zingelschule war eine mehrklassige Volksschule auf dem ehemaligen Klostergelände am Zingel. Sie hat ihren Namen durch ihre Lage an dieser Straße erhalten und ging aus der katholischen Schule des Klosters Marienthal bzw. der darauf folgenden, 1850 erbauten Gasthausschule hervor. Der Begriff Gasthaus wurde seinerzeit synonym für ein Armenhaus benutzt und verdeutlicht, dass diese Schule nach der Säkularisierung des Klosters vom Armenverband unterhalten wurde.
Geschichte
Die Gasthausschule bzw. spätere Zingelschule ging aus der Klosterschule des Klosters Marienthal hevor, das im Zuge der Reformation säkularisiert (verweltlicht) wurde und damit auch die Lehrkräfte für den Schulbetrieb verlor. Die Besitztümer des Klosters wurden von Graf Enno II. beschlagnahmt und für eigene Zwecke verwendet. Durch seine Frau, Gräfin Anna, die nach seinem Tod vormundschaftlich für die noch unmündigen Söhne weiterregierte, konnte erwirkt werden, dass ein Teil der beschlagnahmten Güter für den Unterhalt eines Gasthauses (Synonym für Armenhaus) mitsamt Schule aufgewendet werden konnten.[1]
1545 erließ Gräfin Anna per Verordnung erstmalig eine allgemeine Schulpflicht. Die gräfliche Familie unterstützte den Armenverband maßgeblich beim Unterhalt der Schule. Brennholz, Bücher, Papier und sonstige Unterrichtsmaterialien wurden mit Mitteln der Armenkasse aufgewandt.[2]
Die Gasthausschule bestand bis zuletzt in einem der verbliebenen Gebäude des Klosters.[3] Seit der Reformation wurden die Schulmeister (nicht-akademische Lehrkräfte) von Diakonen und Predigern der lutherischen Kirchengemeinde vorgeschlagen. Jeden Morgen hatten die Schulmeister zudem eine morgendliche Gebetsstunde mit den Bewohnern des Armenhauses abzuhalten. Darüber hinaus mussten sie jeden Donnerstag in der Gasthauskapelle vorsingen und sonntags einen Bibeltext und dessen Auslegung verlesen. Doch damit nicht genug: Auch oblag es den Lehrkräften, Sonntagnachmittags alle Gasthauskinder zur Ludgerikirche zu führen und die Kinder während der Predigt zu beaufsichtigen und zur Ordnung zu ermahnen.[4]
Trotz all der Pflichten war das Gehalt des Gasthauslehrers außerordentlich schlecht.[4] So ist es nicht verwunderlich, dass dieser zur Aufbesserung seines kargen Gehaltes weitere Schulkinder aufnahm, die eigentlich andere Schulen hätten besuchen müssen. Die Eltern dieser Schulkinder wurden durch ein niedrigeres Schulgeld an die Gasthausschule gelockt, worüber sich die Lehrer der anderen Schulen (zu Recht) beschwerten.[2] 1865 wurden daraufhin auf Anordnung der kirchlichen Schulbehörde (Consistorium) 60 Kinder von der Gasthausschule in die Lutherische Klassenschule umgeschult.[5]
Etwa 1850 wurde das Gebäude durch einen Neubau ersetzt, vermutlich, um den vermeintlich gehobenen Ansprüchen einer Stadtschule zu entsprechen.[2] Durch das Volksschulgesetz von 1849 bzw. 1871 wurde die Gasthausschule mit den anderen Schulen gleichgestellt, sodass erstmals auch ein Schulgeld fällig wurde. Gezahlt werden mussten jedoch lediglich 2 1/2 Reichstaler pro Schuljahr. Dennoch hatten viele Eltern Mühe, diese Summe aufzubringen. 1876 wurde die Schule daher auf Beschluss des preußischen Kultusministeriums vom Gesamtschulverband abgetrennt, der erst 1919 mit der Eingemeindung der Gemeinde Sandbauerschaft nach Norden gegenstandslos wurde.[5]
Im gleichen Jahr kam es, vermutlich durch den erneuten Wegfall der Schulgebühren, zu einer Überfüllung, die jedoch bereits lange absehbar war. Die Gasthausschule wurde daraufhin von 1880 bis 1881 mit einem Kostenaufwand von 13.500 Mark aufgestockt und in Zingelschule umbenannt.[5][6] Bereits 1878 hatte die Norder Umlandgemeinde Sandbauerschaft die Schule vom Armenverband Norden übernommen und benannte sie nach Fertigstellung der Bauarbeiten in Zingelschule um.[7] Bis zur Vergrößerung um ein Stockwerk bestand das Schulgebäude aus nur einem Stockwerk.[8]
Wie bereits bei der Gasthausschule stammten die meisten Schulkinder aus wirtschaft eher prekären Verhältnissen. Vielen von ihnen mangelte es sogar an geeignetem Schuhwerk, sodass sie barfuß oder nur mit Holzschuhen zur Schule kamen. Bei der Schulbehörde regte man daher an, für die etwa 80 ärmeren Schüler zumindest ein tägliches Frühstück, bestehend aus einem Glas Milch und einem Butterbrot, zu gewährleisten.[9] Diese sogenannte Quäkerspeisung kam auch den Kindern der Pestalozzischule zu Gute.[10] Der Schuhmangel setzte sich noch bis mindestens in die 1920er Jahre fort.[9]
Während des Zweites Weltkriegs wurde hier, wie in allen Schulen (außer der Marktschule) ein Lazarett eingerichtet. Die 16 hier tätigen Wehrmachtshelferinnen waren in der nahegelegenen Pestalozzischule untergebracht.[11] Zum Schutz vor Luftangriffen brachte man ein großes rotes Kreuz auf dem Dach an.[12]
Nach dem Krieg kam es, bedingt durch den umfangreichen Zustrom von Flüchtlingen und Vertriebenen aus den (ehemaligen) deutschen Ostgebieten, wie auch an den anderen Norder Schulen zu einem starken Anwachsen der Schülerzahlen. Aus diesem Grund wurden drei Räume einer ehemaligen Wehrmachtsbaracke an der Schulstraße genutzt.[13]
Mit der Fertigstellung der Linteler Schule im Jahre 1956 wurden auch die Kinder der Zingelschule dorthin umgeschult. Das alte Gebäude wurde nun noch einige Jahre als Nebenstelle für das Ulrichsgymnasium genutzt und schließlich 1972 abgebrochen.
Lehrkräfte
Die nachfolgende Liste ist (noch) nicht abschließend. Aus einer Aufnahme, die in die Zeit zwischen 1920 und 1930 datiert werden können, geht hervor, dass das Lehrpersonal zu dieser Zeit aus 16 Personen bestand.[14]
Zeitraum | Vollständiger Name |
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1788-1794 | Jacob Hicken |
um 1902 | Herr Dittmer |
um 1920 | Heinrich Dirksen |
1910-1940 | Heinrich Kollmeyer |
um 1949 | Herr Jandt |
um 1951 | Ludwig ter Hell |
Galerie
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Die Zingelschule in der Zeit um 1920.
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Eine Schulklasse mit Lehrer Jandt (1949).
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Aufnahme vom 20. September 1965.
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Aufnahme aus dem Jahr 1972.
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Neubau einer Altenwohnanlage auf dem ehemaligen, heute zur AWO Norden gehörenden Klostergelände - Aufnahme vom 19. Februar 2006.
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Neubau einer Altenwohnanlage auf dem ehemaligen, heute zur AWO Norden gehörenden Klostergelände - Aufnahme vom 10. November 2006.
Literatur
- Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 96-102
Einzelnachweise
- ↑ Schreiber, Gretje (1996): Das große Gasthaus in Norden, in: Heim und Herd, Beilage zum Ostfriesischen Kurier vom 3. Februar 1996, S. 1ff.
- ↑ 2,0 2,1 2,2 Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 97f.
- ↑ Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 31
- ↑ 4,0 4,1 Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 96
- ↑ 5,0 5,1 5,2 Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 98
- ↑ Sanders, Adolf (1999): Norden - wie es früher war, Gudensberg, S. 30
- ↑ Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 98
- ↑ Sanders, Adolf (1999): Norden - wie es früher war, Gudensberg, S. 30
- ↑ 9,0 9,1 Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 99
- ↑ Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 141
- ↑ Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 141
- ↑ Ostfriesischer Kurier (1999): Von der Kaiserzeit bis zur Gegenwart (Sonderdruck), Norden, S. 41
- ↑ Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 101
- ↑ Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 101