Deichmühle

Aus Norder Stadtgeschichte
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Deichmühle

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Basisdaten
Entstehungszeit 1900-1901
Erbauer Weert Meyer
Bauweise Galerieholländer
Erhaltungszustand erhalten
Genaue Lage Raiffeisenstraße 1 A

26506 Norden

Die Deichmühle (historisch: Addinggaster Teichmühle;[1] früher auch: Meyers Mühle, Bontjes Mühle, Wageners Mühle) befindet sich im Winkel der heutigen Straßenzüge Raiffeisenstraße und Bahnhofstraße. Der Name leitet sich von der früheren Lage der Mühle an dem den Norder Hafen umgebenden Deich ab. Daher trug auch die die Raiffeisenstraße einst den Namen Deichweg. Gemeinsam mit der baugleichen Frisiamühle dominiert die Deichmühle das südliche Stadtbild und ist eines der Wahrzeichen von Norden. Der vierstöckige Galerieholländer, der mit einer Höhe von 28,5 Metern die dritthöchste Mühle Ostfrieslands ist, ist heute noch voll funktionsfähig.[2] Sie steht, wie auch das gesamte Gebäudeensemble mit Müllerhaus, Packhaus und Maschinenhaus, unter Denkmalschutz.

In der amtlichen Statistik des Königreichs Hannover wurde der Hof gleichzeitig als Ortschaft innerhalb der Gemeinde Süderneuland I geführt. Im Jahr 1848 sollen hier beispielsweise zehn Personen gewohnt haben.[3]

Geschichte

Als Vorgängerbau der Deichmühle kann eine 1588 von Graf Edzard II. errichtete Mühle gesehen werden, dessen Standort jedoch nicht genau überliefert ist. Offenbar befand sich diese jedoch in Bargebur, weshalb der Lütetsburger Graf (Bargebur gehörte damals zu Lütetsburg) gegen Edzard II. vor dem Reichskammergericht in Speyer klagte.[4] Bei letztgenannter Mühle soll es sich um eine sogenannte Zwangsmühle gehandelt haben. Das bedeutet, dass Edzard II. von seinem Vorrecht als Grundherr Gebrauch gemacht hatte, eine Mühle zu errichten und die umliegenden Bauer dort zu mahlen verpflichtete.[5] Auf Beschluss des Reichskammergerichts musste Edzard II. die Mühle 1592 wieder abreißen lassen und baute sie ein Jahr später an der bis heute bekannten Stelle wieder auf.[4] Diese Mühle wurde fortan alle sechs Jahre auf Zeit verpachtet.[6]

Manche Quellen sprechen davon, dass es an diesem Standort bereits im 13. Jahrhundert eine Bockwindmühle gegeben haben soll, doch dürfte diese spätestens bei den verheerenden Sturmfluten im 14. Jahrhundert zerstört worden sein.

Edzards Einfluss im Süderneuland war groß, so sicherte er sich auch das Addinggaster Grashaus mit seinen umfassenden Ländereien. Nachdem Graf Wilhelm zu Inn- und Knyphausen aus Lütetsburg vor dem Reichskammergericht gegen den Mühlenzwang klagte, errichtete Edzard II. die Bockwindmühle am heutigen Standort.

Im 17. Jahrhundert fiel die Mühle wegen Baufälligkeit wüst und galt als Herberge der Zigeuner und anderer Bettler. Man brach die Mühle ab, um sie 1676 wieder aufbauen.[7][8] In diesem Jahr wurde ein Erbpachtsvertrag über 20 Reichstaler (Windgeld) aufgesetzt.[8] Für jede Tonne gemahlenen Getreides wurde für den Zubringer eine Gebühr von 6 Stübern fällig.[9] Maßgeblich finanziell gefördert wurde der Mühlenbau wohl durch die Reformierte Gemeinde Lütetsburg-Norden.[7]

Als sich die ostfriesischen Stände gegen Fürst Georg Albrecht aus dem Hause Cirksena zu Beginn des 18. Jahrhunderts auflehnten, kam es zwischen 1724 und 1726 zum sogenannten Ostfriesischen Ständekrieg (Appelle-Krieg), im Rahmen dessen auch die Deichmühle stark beschädigt wurde. Nach Ende des Krieges ging die Mühle schließlich 1734 an einen Privatmann über.[10] Im Laufe der Zeit wechselte die Mühle immer wieder den Besitzer und verfiel wegen mangelnder Instandhaltung erneut. Um 1856 gehörte sie einem Müller namens O. J. Onnen.[11]

1898 gelangte die Mühle in den Besitz eines Mannes namens Ulferts. Dieser plante bereits einen Neubau, doch verstarb kurz darauf, sodass seine Witwe sie an Weert Meyer veräußerte, der bereits zuvor die Frisiamühle gepachtet hatte.[12][13] Sein Pachtvertrag dort war jedoch ausgelaufen. Durch Meyer wurde die Bockwindmühle abgebrochen und bis 1900 als Galerieholländer wiedererrichtet.[13] Diese Jahreszahl ist auch über dem Eingang der Mühle vermerkt.

Neben der Baufälligkeit war auch der hohe Hafendeich und die zunehmende Bebauung in der Nachbarschaft, die nur einen sehr eingeschränkten Betrieb ermöglichten, der Grund für einen Neubau. Bereits die Vorbesitzer plagten sich mit diesen Gegebenheiten. Meyer stellte daraufhin einen Bauantrag, der jedoch aufgrund Bedenken beim Brandschutz abgelehnt wurde: Im Umfeld der Mühle befanden sich mehrere Holzlagerstätten und die Behörden befürchteten, dass ein Galerieholländer zu hoch und damit zu anfällig für Blitzeinschläge sein würde. Nachdem Meyer eine Beschwerde an den Regierungspräsidenten in Aurich geschrieben hatte, erhielt er letztlich doch noch eine Baugenehmigung, wenn auch mit Auflagen (Blitzableiter, Blechdach, eiserne Flügelwelle). Der Mühlenbauer Dirks aus Emden führte errichtete schließlich im Auftrage Meyers die Arbeiten an der Mühle durch. Diese schritten schnell voran und bereits gegen Ende des Jahres 1900 war ein erster Betrieb möglich. 1901 erfolgten dann die letzten Arbeiten an der Inneneinrichtung.[14]

An der erst wenige Jahre zuvor prachtvoll erbauten bzw. erweiterten Bahnhofstraße fügten sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine ansehnliche Stadtvilla an die nächste. So passte auch das alte Müllerhaus nicht mehr in das Straßenbild und erhielt daher eine neue neue Fassade im Stil des Historismus. 1908 erfolgte der Bau des Motorhauses. Ein Gasmotor konnte einen Mahlgang und einige Maschinen vom Wind unabhängig antreiben. Ein beachtlicher, wenn auch kostenintensiver Fortschritt.[14]

Nach dem Ersten Weltkrieg erwarb Rolf Bontjes 1919 die Deichmühle von dem Sohn Weert Meyers. Die Mühle soll zu dieser Zeit schon nicht mehr wirtschaftlich gearbeitet haben, was Bontjes entweder nicht bekannt war oder zumindest nicht von einem Kauf abhielt. Ursprünglich aus Leezdorf kommend, hatte er dort auf der Mühle gelernt und gearbeitet. Um 1920 begann er, in den Ausbau der Mühle zu erweitern. Er vergrößerte nicht nur das Motorhaus, sondern fügte dem Ensemble auch ein dreistöckiges Lagerhaus sowie ein ansehnliches Wohnhaus hinzu. Das Lagerhaus sollte zum Trocknen und Lagern des Getreides dienen. Für sich und seine Familie entstand das angrenzende, stattliche Wohnhaus, welches bis heute erhalten ist. Wegen Problemen bei der Bezahlung des Lagerhauses geriet Bontjes allerdings in Rechtsstreitigkeiten mit der Firma Neumann, die das Lagerhaus für ihn erbaute.[14]

Mitte der 1930er Jahre wurde ein Teil des Wohn- und des Lagerhauses der Deichmühle an die neu gegründete Firma Wilken Tee verpachtet. Dort wurde Tee gemischt und auch abgepackt. Die Mühle befand sich zu dieser Zeit in einem schlechten Zustand. Durch Blitzschlag brach ein Flügelteil ab und die Windrose war defekt. Vermutlich konnte Müller Bontjes durch Aufträge für die Heeresverpflegung der Wehrmacht die Mühle wieder Instandsetzen.[14] 1947 bekam die Mühle einen neuen Anstrich, 1948 konnte ein neuer Flügel eingebaut und der Wetterbalken erneuert werden. In den 1950er begann sich eine wirtschaftliche Verbesserung einzustellen, die Auftragsbücher waren gut gefüllt. Müller Bontjes beschäftigte einen eigenen Müller, der sein Handwerk gut zu verstehen schien. Dennoch kam man mit der Arbeit kaum nach. Janssen berichtete: "Die Mühle war so voll Getreide, dass sie fast überlief".[14]

Ab 1957 pachtete ein M. O. Kalverkamp die Mühle. Kalverkamp investierte ebenfalls stark in die Mühle und richtete einen elektrischen Sackaufzug ein. Sein Pachtverhältnis dauerte jedoch nicht lange, bereits in den 1960ern wurde die benachbarte Raiffeisengenossenschaft neuer Pächter der Mühle. In diese Zeit fiel der Ausbau der Mehlproduktionsanlagen (Sichter und Walzenstühle) und des Pellsteins. Die Mühle wurde jedoch nun vor allem zur Getreidelagerung und zur Herstellung von Futtermitteln genutzt. In den Nebengebäuden wurde Düngemittel gelagert. Bis etwa 1968 wurde die Windkraft zum Antrieb der Mühle genutzt und nur bei Windstille auf den Motor zurückgegriffen.[14] Seit 1975 wurde nicht mehr gemahlen.[15]

Nach dem Ende der gewerblichen Nutzung gelangte die Mühle in den Besitz der Familie H. Wagener aus Papenburg. Diese ließ sodann eine eine alte, baufällige Flügelrute erneuern. In den folgenden Jahren folgten zahlreiche weitere Instandsetzungsmaßnahmen, so wurde auch der Oberbau durch einen niederländischen Mühlenbauer erneuert. Die Kappe wurde letztmalig 2007 erneuert und die Mühle ist bis heute voll funktionsfähig.[14]

Gegen Ende der 1970er kam es zu rechtlichen Auseinandersetzungen mit der Straßenverkehrsbehörde, die letztlich eine Verbreiterung der Bahnhofstraße durchsetzte und das vordere Grundstück der Windmühle dadurch massiv verkleinerte.[14] Ein großer Vorhof war für Mühlen üblich und spätestens ab dem 4. Dezember 1834 sogar gesetzlich vorgeschrieben, damit die Pferde vorbeifahrender Kutschen nicht durch den Flügelschlag scheuten. Der Abstand zur Straße musste mindestens 50 Ruthen (altes Längenmaß; 1 Ruthe = 3,89 Meter) betragen.[16]

Heute wird die Deichmühle als Museumsmühle genutzt. Eine Sammlung historischer Müllereimaschinen zeigt die technikhistorische Entwicklung im Müllereiwesen. Zudem werden Exponate zum Thema Müllereitechnik, Saatgutveredelung, Windenergie und Windmotoren ausgestellt. Im Packhaus sind japanische Motorradklassiker der 1960er und 1970er Jahre ausgestellt.

Galerie

Einzelnachweise

  1. Canzler, Gerhard (1989): Handel und Wandel, Norden, S. 29; Teich ist hier im Sinne von Deich zu verstehen
  2. Schreiber, Gretje (2012): Mühlengeschichten in und um Norden, Manuskript
  3. Statistisches Handbuch für das Königreich Hannover von 1848
  4. 4,0 4,1 Schreiber, Gretje (2017): Der Norder Hafen. Geschichte, Schifffahrt und Handel, Aurich, S. 77
  5. Schreiber, Gretje (1997): Streit um das Land am Meeresrand, in: Ostfriesland Magazin Jg. 1997/12, S. 108-119, hier S. 112f.
  6. StAA, Rep. 6, Nr. 3161 u. Rep. 6, Nr. 454
  7. 7,0 7,1 Canzler, Gerhard (1997): Alt-Norden, Weener, S. 151
  8. 8,0 8,1 StAA, Rep. 6, Nr. 3178
  9. StAA, Rep. 6, Nr. 3404
  10. Geschichte der Deichmühle auf Ostfriesland.travel
  11. Canzler, Gerhard (2002): Doornkaat. Eine Firmenchronik, Norden, S. 36
  12. Brückner, Annemarie / Gerdes, Edo (1984): So war es damals. Bilder aus dem alten Norden, Leer, S. 12
  13. 13,0 13,1 Schreiber, Gretje (2012): Mühlengeschichten in und um Norden, Manuskript
  14. 14,0 14,1 14,2 14,3 14,4 14,5 14,6 14,7 Internetseite der Deichmühle, abgerufen am 5. Juli 2021
  15. Schreiber, Gretje (2017): Der Norder Hafen. Geschichte, Schifffahrt und Handel, Aurich, S. 253
  16. Ochtersumer Turmholländer 100 Jahre alt, abgerufen am 18. August 2021

Siehe auch