Altes Rathaus

Aus Norder Stadtgeschichte
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Altes Rathaus

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Basisdaten
Entstehungszeit 1539-1542 (um 1300)
Erbauer Kirchengemeinde
Bauweise Steinhaus mit Turm
Erhaltungszustand erhalten
Genaue Lage Am Markt 36

26506 Norden

Das Alte Rathaus ist ein denkmalgeschütztes Gebäude in unmittelbarer Nähe zum Norder Marktplatz. Bis 1884 diente es als städtisches Rathaus (daher der Name), im selben Jahr erfolgte der Umzug der Stadtverwaltung in das Neue Rathaus. Längster Nutzer des Gebäudes ist die Theelacht, seit 1922 hat hier auch der Heimatverein Norderland seinen Sitz, der einen Großteil der Räumlichkeiten als Heimat- und Teemuseum nutzt. Letztgenannter Begriff wird manchmal auch synonym für das Alte Rathaus verwendet.

Weitere wichtige Einrichtungen in der jahrhundertelangen Geschichte waren das Stadtgericht mit eigenem Gefängnis, die Lateinschule als Vorläufer des Ulrichsgymnasiums sowie weitere Behörden wie das Eich- und Finanzamt, die hier zeitweise ansässig waren.

Geschichte

Das Gebäude wurde zwischen 1539 und 1542 im Stile der Renaissance um den Kern seines im gotischen Stile gehaltenen Vorgängerbaus erbaut, welche 1531 bei der Plünderung und Brandschatzung der Stadt durch Balthasar von Esens schwer beschädigt wurde.[1] Im Zuge dieser auch als Geldrische Fehde bekanntgewordenen Konflikts bezogen die geldrischen Söldner Balthasars im Alten Rathaus ihr Winterquartier und hielten sich von hier aus schadlos an Stadt, Land und Bevölkerung.[2]

Das Gebäude war seit jeher, wie viele Bauten und Ländereien in Norden und Umgebung, im Besitz der Kirche.[1][2] Katasteramtsauszüge belegen, dass der Keller aus dem späten 13. oder frühen 14. Jahrhundert stammt, was darauf schließen lässt, dass der Vorgängerbau des heutigen Alten Rathauses ebenfalls aus dieser Zeit stammt. Der Keller wurde indes wahrscheinlich zu Lagerzwecken genutzt, worauf auch zwei Luken hinweisen, durch die mittels Seilzug Waren befördert wurden. Ursprünglich war das Kellergewölbe lediglich ein langgestreckter Raum.[3]

In den Kirchenrechnungen dieser Zeit ist zu lesen: "Anno (15)42 dat Rathues angevangen tho temeren oeck gelt daer tho uvgenommen", was übersetzt soviel bedeutet wie: "Im Jahr 1542 wurde das Rathaus erbaut und dafür ein Darlehen aufgenommen." Die älteste Urkunde vom Rathaus selbst stammt von 1539, welche auf den Wiederaufbau in dieser Zeit hinweist.[1] Nach einer Huldigungsfeier für Gräfin Anna und ihren Söhnen wurde das Gebäude 1542 seiner Bestimmung übergeben. Beim Ausbau des Dachs kamen wohl auch sogenannte Krummhölzer zum Einsatz. Das Holz dafür wurde wohl im Lütetsburger Forst geschlagen.[4] Derartige Balken finden sich beispielsweise auch beim Haus an der Großen Neustraße 13.

1575 weilte Graf Edzard II. mit seiner Familie in Norden. Ihm zu Ehren wurde ein feierlicher Empfang im Rathaus bereitet. Als Erinnerungsstücke wurden fünf sogenannte Geschenkfenster gestiftet; je eins für die Grafen Edzard II. sowie Graf Johann II., Edzards Gemahlin Catharina von Schweden sowie für Graf Enno II. und dessen Gemahlin Anna von Oldenburg. Die Kosten trug die Kirchenkasse.[5]

Seit wann das ursprünglich kirchliche Gebäude als Rathaus diente, ist nicht sicher bekannt. Es bestehen Vermutungen, dass das Gebäude Osterstraße 158 vor der Erbauung des Alten Rathauses als solches diente und es auch während des Wiederaufbaus wieder war.[1] Wahrscheinlich wurde das Alte Rathaus bzw. sein Vorgängerbau jedoch schon vor dem Neubau als Rathaus genutzt.[3]

Längster Nutzer des Alten Rathauses ist indes die Theelacht, die hier in der sogenannten Theelkammer im linken Untergeschoss zwei Mal jährlich tagt. Das Anrecht auf die Theelkammer hat sie sich über Jahrhunderte lang trotz vieler Widerstände erfolgreich behauptet. Urkundlich ist die Nutzung durch sie seit etwa 1550 belegt, seit 1897 ist dieses Privileg auch grundbuchamtlich eingetragen.[6] Oftmals nutzte die Theelacht jedoch auch das benachbarten und ebenfalls (damals) der Kirche gehörende Weinhaus. In jedem Fall führte dieses lange Zeit unverbriefte Privileg des Öfteren zu Unstimmigkeiten zwischen der Theelacht und anderen Nutzern, wie beispielsweise der Bürgerwehr, die sich hier ohne Absprache mit den Verantwortlichen der Theelacht, einquartierten.[3]

1575 besuchte Edzard II. gemeinsam mit seiner Gemahlin die Stadt und das Rathaus, woraufhin ihnen zu Ehren - nach alter ostfriesischer Sitte - zwei Fenster gewidmet wurden.[3]

Während des Appell-Kriegs von 1724 bis 1727 diente das Rathaus als Wachlokal für dänische und kaiserliche Truppen. Zeitweise war im sogenannten Rummel, einem Veranstaltungs- und Tagungsraum, zudem ein Klassenraum der Lateinschule, dem Vorläufer des Ulrichsgymnasiums, eingerichtet.[7] Später beherbergte das Rathaus noch das Stadtgericht, welches in der obersten Etage des Turmes bereits im 16. Jahrhundert ein Gefängnis (später in den Räumen des Eichamtes) unterhielt. Neben dem Eichamt waren auch Teile der Gewerbeschule sowie der Höheren Töchterschule dort zeitweise untergebracht.[8][9] Darüber hinaus wurde das Gebäude für gewerbliche und private Sitzungen und Feste genutzt. Der nördliche Teil (gen Westerstraße) wurde lange Zeit als Privatwohnung genutzt, seit 1843 als Dienstwohnung für einen städtischen Beamten, den Stadtdiener.[6]

Im Jahre 1739 wurde die schwere Eingangstür beim Turm eingesetzt. 1769 erfuhr das Gebäude weitere Baumaßnahmen. Der Rummel wurde durch zwei Wände - von Westen nach Osten und nach Süden - in drei Räume geteilt. Vermutlich wurden zu dieser Zeit auch die englischen Fenster eingesetzt.[10]

1836 wurde das neue Amtsgericht am Fräuleinshof erbaut. Bereits am 1. März 1827 und mit Abschluss vom 4. Dezember 1827 war das Stadtgericht aus finanziellen Gründen mit dem Amtsgericht vereinigt worden.[10] Am 28. Juli 1861 erwarb die Stadt das Gebäude von der Kirche, blieb hier jedoch nicht mehr lange ansässig. Von Herbst 1883 bis zum Sommer 1884 zog die Stadtverwaltung wegen Raumnot in das neue Rathaus und vermietete einen Großteil der Räumlichkeiten des alten Rathauses ab 1922 an den Norder Heimatverein, der hier ein Heimat- und Teemuseum aufbaute. Zuvor wurde das Gebäude noch als Stadtbibliothek und als Finanzamt genutzt.[11] Während des Erster Weltkrieg war hier zudem das hiesige Garnisonskommando untergebracht, bei dem sich verwundete und erkrankte Soldaten, die in einem der Lazarette und Krankenhäuser der Gegend behandelt wurden, innerhalb von drei Stunden nach ihrer Ankunft zu melden hatten.[12]

Zum Schutz der alten Gemäuer vor etwaigen Bränden durch Luftangriffe wurde 1943 im Dachstuhl des Gebäudes ein feuerhemmender Firnis (Ölanstrich) angebracht. Die dort gelagerten Akten mussten in die Räumlichkeiten der Theelacht umgelagert werden, weshalb diese ihren traditionellen Auszahlungstermin im April des Jahres nicht durchführen konnte.[13]

Am 18. Oktober 1968 kam es im Keller zu zwei schweren Gasexplosionen, durch die große Schäden am Mauerwerk - auch an angrenzenden Gebäuden - entstanden.[14][15] In der Folge waren umfangreiche Restaurationsarbeiten erforderlich.[15] Erst 1977 waren die letzten Arbeiten abgeschlossen, die Kosten beliefen sich auf rund 100.000 DM.[16] Doch auch sonst wurden mehrere zehntausend Mark in den Folgejahren zum Erhalt und zur Sanierung der alten Gemäuer aufgewendet. Unter anderem wurde ab 1980 der Rummel wieder hergerichtet.[17]

2013 bis 2014 wurde das Alte Rathaus abermals umfangreich renoviert und saniert. Hierbei geriet am 1. August 2013 ein hölzerner Fensterrahmen in Brand. Durch schnelles, aber zugleich besonnenes Eingreifen der Norder Feuerwehr konnte der Schaden weitestgehend auf den Fensterbereich begrenzt werden. Die entstandene Verrauchung verursachte keine allzu großen Schäden. Ein Ausbreiten des Feuers hätte zu unschätzbaren Schäden an einem der bedeutendsten Bauten der Stadt geführt. Auch die unterhalb der Brandstelle befindliche Theelkammer wäre durch einen größeren Löschwassereinsatz in Mitleidenschaft gezogen worden.[18]

In einem zweiten Abschnitt, von Herbst 2019 bis Sommer 2020, folgte die Restaurierung der historischen Kellerräume und des Treppenturms. Sie sollen im Anschluss ebenfalls für Ausstellungszwecke genutzt und in das Museumskonzept integriert werden. Im Rahmen dieses Restaurierungsabschnittes sind folgende Maßnahmen durchgeführt worden: Instandsetzung des Mauerwerks und der Putze im Innenbereich, Überarbeitung der historischen Anstriche, Überarbeitung der Holztreppe, Neufassung der Fenster, Wiederherstellung der historischen Fensteröffnungen im Keller sowie Ergänzung von Elektroleitungen, Beleuchtung und Brandschutzmaßnahmen.

Bis zum Sommer 2021 wurde zudem der seit mehreren Jahren geschlossene Keller grundlegend renoviert und als Ausstellung neu gestaltet. Finanziert wurde das Projekt maßgeblich von der Dr. Heinz E. & Edith Samson-Stiftung.[19]

Beschreibung

Das steinerne Gebäude, welches traufständig zum Marktplatz errichtet wurde, besteht zum Großteil aus Backsteinen. In der Front verfügt es über einen Turm, in dem sich Treppen befinden, die die Stockwerke verbinden. Oberhalb des Turms befand sich einst eine kleine Glocke, erhalten ist nur das Türmchen. Die in sandsteingefassten Öffnungen befindlichen Fenster bestehen aus Holz. Für damalige Zeiten typisch wurde als Dämmmaterial vor allem Torf verwendet. Der Giebel des Gebäudes selbst und des Turmes bestehen aus geschwungenen Elementen, die das Gesamtbild des im Stile der Renaissance gehaltenen Gebäudes stimmig abrunden.

Im Erdgeschoss links befindet sich die Theelkammer, in dem die Theelacht seit Jahrhunderten tagt. Größter Raum ist der sogenannte Rummel, ein Sitzungs- und Festsaal, der heute sowohl zur Durchführung der ostfriesischen Teezeremonie vom Museum als auch vom Standesamt für Trauungen genutzt wird. Die Bauweise weist deutliche Ähnlichkeiten mit dem Ekeler Torenhus auf. Ein solcher Bautypus wird auch allgemein für mehrere Ostfriesische Häuptlingsburgen bzw. vornehme und befestigte Bauten angenommen.

Trivia

Nach alter Hausnummerierung hatte das Alte Rathaus die Hausnummer 460.[20]

Galerie

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 Cremer, Ufke (1955): Norden im Wandel der Zeiten, Norden, S. 39
  2. 2,0 2,1 Schreiber, Gretje (1992): Der Norder Marktplatz und seine Geschichte bis heute, Aurich, S. 99
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 Ostfriesischer Kurier vom 1. Juni 2024, S. 6
  4. Canzler, Gerhard (1997): Alt-Norden, Weener, S. 129
  5. Schreiber, Gretje (1992): Der Norder Marktplatz und seine Geschichte bis heute, Aurich, S. 100
  6. 6,0 6,1 Cremer, Ufke (1955): Norden im Wandel der Zeiten, Norden, S. 40
  7. Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Norden, S. 15
  8. Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 76
  9. Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 103
  10. 10,0 10,1 Cremer, Ufke (1955): Norden im Wandel der Zeiten, Norden, S. 41
  11. Haddinga, Johann / Stromann, Martin (2001): Norden/Norddeich – Eine ostfriesische Küstenstadt stellt sich vor, Norden, S. 66f.
  12. Ostfriesischer Kurier vom 4. November 1915, S. 2
  13. Haddinga, Johann (1995): Kriegsalltag in Ostfriesland, Norden, S. 128f.
  14. Ostfriesischer Kurier (1999): Von der Kaiserzeit bis zur Gegenwart (Sonderdruck), Norden, S. 60
  15. 15,0 15,1 Canzler, Gerhard (1994): Norden. Museen im Alten Rathaus, Norden, S. 44
  16. Canzler, Gerhard (1994): Norden. Museen im Alten Rathaus, Norden, S. 46
  17. Canzler, Gerhard (1994): Norden. Museen im Alten Rathaus, Norden, S. 49
  18. Einsatzbericht der Feuerwehr Norden, abgerufen am 24. Februar 2021
  19. Online-Bericht der Borkumer Zeitung vom 11. August 2021, abgerufen am 8. September 2021
  20. Cremer, Ufke (1938): Kontrollverzeichnis der Stadt Norden von 1812, Norden, S. 1

Siehe auch