Gasthaus

Aus Norder Stadtgeschichte
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Gasthaus

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Basisdaten
Entstehungszeit zwischen 1557 und 1576
Erbauer Armenverband Norden
Bauweise Stein- und Holzgebäde
Erhaltungszustand 1975 abgebrochen
Genaue Lage Am Zingel 11-17

26506 Norden

Das Gasthaus (auch: Armenhaus, Armen-Gasthaus, Großes Gasthaus und Norder Armenanstalt; später: Wohlfahrtsheim, Kreis-Altersheim) war ein Nachfolgebau des Klosters Marienthal, das seit 1557 vom Armenverband Norden unterhalten wurde. Es diente der Armenfürsorge im Zuständigkeitsbereich des Armenverbandes, der die Stadt Norden und die Norder Umlandgemeinden umfasste. Aus dem ehemaligen Armenhaus wurde später ein Seniorenheim (Wohlfahrtsheim bzw. Kreis-Altersheim).

In unmittelbarer Nähe zum Gasthaus befand sich seit 1850 die Gasthausschule. Ein Nachfolgebau des historischen Gasthauses diente als Kreis-Altersheim.

Geschichte

Bis in das späte Mittelalter hinein war es üblich, dass die Kirchen und Klöster die Armenhilfe gewährleisteten. Erst nach und nach ging diese Aufgabe auf den Staat über. Im Zuge der sich in Ostfriesland stark verbreiteten Reformation wurde das Kloster Marienthal 1529 säkularisiert und aufgegeben. Das Gelände wurde dem Armenverband Norden übergeben, die seit 1555 im Torfhaus des Klosters ansässig waren und dann hier das sogenannte Gasthaus einrichteten.[1] Dieser Begriff war früher ein gängiger (wenn auch euphemistischer) Name für ein Armenhaus. Gräfin Anna, zu diesem Zeitpunkt vormundschaftliche Regentin über Ostfriesland, stattete das Gasthaus mit einem Teil der durch ihren Mann beschlagnahmten Klostereinkünfte aus, um seine Finanzierung zu sichern.[2] Ausdrücklich vorbehalten war das Armenhaus jedoch nur Angehörigen christlicher Konfessionen.[3]

In einem Gesuch an Gräfin Anna fordert der Vorstand des Armenverbandes (Armenvorsteher) die Erlaubnis, das alte, größtenteils verfallene Brauhaus zu einem Armenhaus umzubauen. Die Gräfin gab dem Ansinnen statt. Auch die alte Klosterschule konnte als Gasthausschule für den Schulbetrieb weitergenutzt werden. Ab 1579 hielten die reformierten Christen hier mit Erlaubnis von Graf Johann II. kurze Zeit ihren Gottesdienst ab, bis sie Ende des Jahres von dessen Bruder Edzard II. vertrieben wurden, da dieser die calvinistische (evangelisch-reformierte) Glaubensrichtung strikt ablehnte und zudem eine tiefe Feindschaft mit Johann teilte.[1]

1799 beherbergte das Gasthaus insgesamt 109 Bewohner, davon 59 Kinder und 50 ältere Menschen. Hinzu kamen 35 Kinder, die hier täglich ein Mittagessen einnahmen.[4] 1811 wurden 19 Männer und 43 Frauen verpflegt, die Zahl der Waisenkinder lag wohl ungleich höher.[5] Irgendwann im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde dann offenbar ein neues Armenhaus, das sogenannte Wohlfahrtsheim sowie im Jahr 1850 eine neue Schule, die Zingelschule, erbaut.[1]

Schon vor dem Bau des städtischen Krankenhauses, spätestens seit 1850, versorgten Ärzte und Schwestern im Gasthaus zudem Patienten. Nach Akten des Magistrats von 1867 bildeten vier Säle mit insgesamt 33 Betten eine frühe Form eines Krankenhauses.[3] Für 1899 sind ein Arzt namens Dr. Harms sowie eine Kapazität von 58 Betten belegt. Es sollen 15 männliche und 18 weibliche Kranke zwischen 32 bis 99 Tagen gepflegt worden sein. Ein Mann und neun Frauen sollen während ihres Aufenthaltes verstorben sein.[6] Die medizinische Versorgung wird als sehr spartanisch und unzureichend für bettlägerige Patienten beschrieben.[7]

Mit der Zusammenlegung der einzelnen, nach Konfessionen getrennten Armenverbände zu einem Gesamt-Armenverband ab dem 1. Juli 1871 wohnten nicht mehr nur Christen im Gasthaus. 1872 wurden die ersten jüdischen Armen hier untergebracht.[8]

In der allgemeinen Not nach dem Ersten Weltkrieg kam dem Gasthaus die sogenannte Quäkerspeisung zu Gute, bei der den Kindern eine tägliche Milchsuppe und ein Brötchen gegeben wurde. Zwei Mal in der Woche soll es zudem einen Kakao gegeben haben.[9] Die Geldmittel hierfür flossen zu einem Großteil aus den Vereinigten Staaten von Amerika. Spätestens seit 1920 ging die Trägerschaft des Gasthauses dann vom Armenverband auf den Landkreis Norden über.[10]

1966 wurde hier ein Altenwohnzentrum der Arbeiterwohlfahrt eingeweiht. Das Wohlfahrtsheim, mittlerweile Kreis-Altersheim genannt, wurde im Dezember 1975 ebenso wie die Zingelschule abgebrochen.[1][11] An die einstige Klostergeschichte erinnert heute noch eine Statue der Heiligen Maria auf dem Gelände sowie der Name Wohnanlage Marienthal.

Finanzierung

Neben dem unmittelbarem Klostergelände gelangte das Gasthaus in den umfangreichen Besitz zahlreicher Ländereien des Klosters, die bis dahin zu dessen Unterhalt und der Armenpflege dienten. Diese Ländereien wurden bis dahin Kirchenland und fortan Armenland genannt. Unter anderem gehörten die Höfe in Osterloog und Westerloog sowie der Armenplaats zum Besitz des Gasthauses. Neben landwirtschaftlichen Besitztümern war das Gasthaus auch lange Zeit Eigentümer des jüdischen Friedhofs. Als weitere Einnahmequellen dienten neben Spenden und Kollekten auch Einkünfte aus der Verpachtung der Stadtwaage.[2] Im Jahre 1690 wurden hieraus Einnahmen in Höhe von 650 Gulden bezogen.[12] Hinzu kamen vom Amtsgericht verhängte Strafen und Bußgelder der Polizei. Auch war es üblich, dass bei Grundstücks- und Immobilienkäufen stets auch ein gewisser Betrag zum Besten der Armen bzw. an die Armen des Gasthauses geleistet werden musste.

Den Einnahmen gegenüber standen jährliche Aufwendungen zwischen 4.000 und 5.000 Gulden.[12]

Weberei

Eine im Gasthaus ansässige Weberei beschäftigte im Jahre 1846 an 14 Webstühlen und vier großen Spinnrädern insgesamt 25 Personen.[13]

Galerie

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 Schreiber, Gretje (1996): Das große Gasthaus in Norden, in: Heim und Herd, Beilage zum Ostfriesischen Kurier vom 3. Februar 1996, S. 1ff.
  2. 2,0 2,1 Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 31
  3. 3,0 3,1 Canzler, Gerhard (1994): Norden. Museen im Alten Rathaus, Norden, S. 108
  4. Canzler, Gerhard (1997): Alt-Norden, Weener, S. 97
  5. Cremer, Ufke (1934): Die Einwohner der Stadt Norden im Jahre 1811, Norden, S. 14
  6. Guttstadt, Albert (1900): Krankenhaus-Lexikon für das Deutsche Reich, Berlin, S. 380
  7. Canzler, Gerhard (2002): Doornkaat. Eine Firmenchronik, Norden, S. 160
  8. Gödeken, Lina (2000): Rund um die Synagoge in Norden. Die Geschichte der Synagogengemeinde seit 1866, Aurich, S. 168
  9. Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 140
  10. Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 129
  11. Haddinga, Johann (2001): Norden im 20. Jahrhundert, Norden, S. 80
  12. 12,0 12,1 Canzler, Gerhard (1994): Norden. Museen im Alten Rathaus, Norden, S. 107
  13. Canzler, Gerhard (1989): Handel und Wandel, Norden, S. 54

Siehe auch