Patronymische Namensgebung
Die Patronymische Namensgebung (griechisch: Patros; deutsch: Vater) war über Jahrhunderte hinweg die gängigste Form der Namensgebung in Ostfriesland. Wenngleich auch die Ostfriesen seit dem 19. Jahrhundert feste Nachnamen angenommen habe, finden sich viele aus dieser Namensgebung entstandenen Nachnamen noch heute wieder. Dabei konnten sich die Ostfriesen das Privileg bewahren, einen Nachnamen als zweiten Vornamen wählen zu dürfen.
Erläuterung
Das System der patronymischen Namensvererbung sieht für den Sohn den Nachnamen des Vaters mit einer entsprechenden Endung vor, die ihn als dessen Nachkomme auszeichnet. In Ostfriesland haben sich hier mehrere Varianten entwickelt, die gängigste ist die niederdeutsche Endung -sen bzw. -s für Sohn des bzw. Tochter des. Ein Beispiel: Der Sohn von Harm Gerdes heißt Jan Harms. Dessen Sohn wiederum bekommt den Namen Ubbo Janssen. Manchmal wechselten sich über Generationen auch die Vor- und Nachnamen ab, was insbesondere Ahnenforscher verzweifeln lässt. Der Sohn von Harm Gerdes hieß dann Gerd Harms, dessen Sohn dann wieder Harm Gerdes und so weiter.
Auch haben sich bis heute Endungen der (ausgestorbenen) ostfriesischen Sprache erhalten (-nga und -a) Die Bedeutung ist hier jedoch aus der Sippe des und diese Nachnamen blieben oftmals gleich, sind also nicht zwingend der patronymischen Namensgebung zuzuordnen. Personen mit dem Nachnamen Hayenga entstammen der Sippe des Haye, solche mit Nachnamen Poppinga aus der Sippe des Poppe und so weiter. Die meisten ostfriesischen Häuptlingsgeschlechter des Norderlandes hatten ein -nga bzw. -a als Endung (Uldinga, Idzinga, Aldersna, Attena, ...).
Geschichte
Wann genau die Ostfriesen begannen, sich die Namen der Väter als Nachnamen zu geben, ist nicht bekannt. Anzunehmen ist, dass die Nachnamen mit dem Wachstum der Dörfer und Städte aufkamen, um Personen gleichen Namens voneinander zu unterscheiden. Da es kaum Gewerbszweige gab, fiel das ansonsten sehr verbreitete System, den eigenen Beruf als Nachnamen zu wählen (Schmidt, Müller, ...), weg. Interessant ist, dass auch die nordischen bzw. skandinavischen Länder nach patronymischer Namensgebung verfuhren und es teils noch heute tun (Björnsson, Eriksson, ...).
Während der Französischen Besatzungszeit wurde das System der patronymischen Namensvererbung schließlich per Dekret vom 18. August 1811 (Einführung des Code Napoléon) verboten. Die Ostfriesen hielten sich jedoch nicht daran und die baldige Vertreibung der Franzosen ließ es beim Urzustand bleiben. Doch nachdem Ostfriesland an das Königreich Hannover fiel, erließ König Georg IV. von Hannover am 12. Mai 1826 eine neue Verordnung, die mit Erlass vom 23. Dezember 1857 erneut bekräftigt wurde. Erst jetzt kam es tatsächlich zur Annahme eines festen Nachnamens, wobei sich die alten patronymischen Namen bis heute erhalten haben. Jeder Einwohner hatte beim zuständigen Amt persönlich zu erscheinen und seinen Namen in Gegenwart eines Beamten schriftlich in ein Verzeichnis einzutragen. Konnte jemand nicht schreiben, wurde der Name vom Urkundsbeamten erfasst.[1] Dies führte dazu, dass der Beamte den Namen so niederschrieb, wie er meinte, dass er geschrieben werden müsste. Auch dies führt mitunter zu ungemeinen Schwierigkeiten bei der Ahnenforschung.
Der Starrköpfigkeit der Ostfriesen wird es zu verdanken sein, dass die Region heute einen Sonderstatus bei der Namensgebung genießt und Kinder einen faktischen Nachnamen als Mittelnamen bekommen können. So kommt es, dass es noch heute Personen gibt, die beispielsweise ein Janssen als Mittelnamen tragen, der ihn als Sohn des Jan auszeichnet und rechtlich dem Vornamen zugerechnet wird.
Einzelnachweise
- ↑ Cremer, Ufke (1934): Die Einwohner der Stadt Norden im Jahre 1811, Norden, S. 101
Literatur
- Tammena, Manno (2008): Namengebung in Ostfriesland: Personennamen - Patronymische Namen. Ursprung, Entwicklung, Niedergang, Norden