DGzRS Norddeich
DGzRS Norddeich | |
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Basisdaten | |
Gründung | 1990 (1886) |
Auflösung | - |
Rechtsform | eingetragener Verein (e.V.) |
Hauptsitz | Johann-Janssen-Padd
26506 Norden |
Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger, Ortsverband Norddeich (kurz: DGzRS Norddeich) gehört zur bundesweit tätigen Seenotrettungsgesellschaft. Anders als ihr größeres Pendant auf Norderney wird das in Norddeich stationierte Rettungsboot ausschließlich von Ehrenamtlichen besetzt.
Geschichte
Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger wurde am 29. Mai 1865 in Kiel gegründet. Bis dahin gab es keine oder nur eine schlecht organisierte Seenotrettung. Oftmals waren Strandungen vorbeifahrender Schiffe sogar erwünscht bzw. provoziert und auch auf den ostfriesischen Inseln eine begehrte Einnahmequelle, da alles Strandgut nach altem Recht in den Besitz der Finder fiel. Etwa 20 Jahre nach Gründung der Gesellschaft - im Jahre 1886 - wurde der Rettungsschuppen an der heutigen Tunnelstraße in Norddeich errichtet.[1] Damals befand sich der Seedeich noch in unmittelbarer Nähe. Bereits 1867 scheint es jedoch ein etwa 23 Fuß (1 Fuß = ca. 30 cm) langes Rettungsboot in Norddeich gegeben zu haben. Dieses wurde in einem alten Schuppen nahe des Hafens gelagert.[2] 1888 erhielten die Norddeicher Seenotretter ein etwa 7,50 Meter langes Ruderrettungsboot.[3] Eine weitere Rettungsstation wurde etwa um die gleiche Zeit Utlandshörn eingerichtet.
Mit Verbreitung der Motorrettungsboote konnte die Dichte der Rettungsstationen an der Ostfriesischen Küste verringert werden. Zwei Motorrettungsboote konnten wegen der hohen Geschwindigkeit und dem großen Aktionsradius fünf Segel- oder Ruderrettungsboote ersetzen. Als Folge wurde die Rettungsstation in Norddeich 1930 aufgelöst und die Seenotrettung erfolgte von den vorgelagerten Inseln aus.[4] Das Gebäude wurde verkauft und beherbergte seit 1985 ein Museum für maritime Rettungsgeräte, alte Wrackteile und Schiffsmodelle sowie eine Sammlung historischer Dokumente.[1]
Erst 1990 wurde die Station auf maßgebliche Initiative des langjährigen Vormanns Johann Janssen wieder ins Leben gerufen. Zum 7. April des Jahres nahm das 7-Meter-Rettungsboot Norddeich seinen Dienst auf. Gut acht Jahre später, am 28. April 1998, wird die neue Rettungsstation im Westhafen eingeweiht.[3] Die notwendige Besatzung rekrutierte sich im Notfall aus 19 Ehrenamtlichen, die reihum in Bereitschaft stehen.[5] Die Norddeich war ursprünglich als Umma im Jahre 1971 gebaut worden und lag vorher schon auf anderen Stationen der DGzRS, bevor sie in Norddeich umbenannt wurde. Die Seenotrettungsboote dieser ersten Generation hatten nur einen kleinen Dieselmotor von gerade einmal 54 PS, der für lediglich 10 Knoten Fahrt reichte. Die Norddeich blieb bis 1993 auf der Station und wurde danach der Reserveflotte überstellt. Später kam sie nochmal als Möwenort (IV) auf der Seenotrettungsstation Freest und der Seenotrettungsstation Breege in Fahrt.[3]
Als Nachfolge stand die weiterentwickelte, zweite Generation bereit, die bei der Fassmer-Werft in Berne gebaut wurden. Die Cassen Knigge wurde am 15. Juni 1993 in Norddeich getauft und erreichte mit seinem 220 PS-Motor maximal 18 Knoten Geschwindigkeit. Durch ein umlaufendes Fendersystem sind die Boote in der Lage auch bei schwierigen Bedingungen bei anderen Schiffen längsseits gehen. 2017 erfolgte die Ablösung der Cassen Knigge nach fast einem Vierteljahrhundert treuem Dienst. Das Boot wurde anschließend außer Dienst gestellt und der Seenotrettungsgesellschaft ADES in Uruguay überlassen.[3] Dafür verlegte die DGzRS die Wilma Sikorski von der Seenotrettungsstation Wangerooge nach Norddeich. Das Boot war das erste der dritten Generation mit 9,41 Meter Länge, das 1999 auf der Schweers-Werft gebaut worden war. Mit dem 320 PS-Motor konnte das Boot ebenfalls 18 Knoten erreichen. Seit Juli 2020 gehört die Wilma Sikorski zur Reserveflotte der DGzRS. Seitdem nutzt die Norddeicher DGzRS ein 10,1 Meter langes Rettungsboot, getauft auf den Namen Otto Diersch. Nach dreitägiger Überführungsfahrt von der Tamsen-Werft in Rostock lief das Boot am 25. Juli 2020 erstmalig in den Norddeicher Hafen ein.[6] Der nochmals stärkere Schiffsdieselmotor mit 380 PS kann starke Schleppkräfte erzeugen, um auch größere Schiffe zu schleppen. Durch den geringen Tiefgang von 0,96 Meter sind die Boote ideal geeignet für die Flachwassereinsätze im Wattenmeer. Wie alle Seenotrettungsboote sind sie für den Kenterfall als sogenannte Selbstaufrichter konstruiert, sodass Rettungseinsätze bei jedem Wetter und unter allen Seegangsbedingungen möglich sind.[7]
Trivia
Die an der Brückstraße ansässige Wagenbaufirma Stilkenboom stellte viele Jahre sogenannte Raketenwagen her, die bei Schiffsstrandungen in Küstennähe zum Einsatz kamen. Mit diesen Wagen wurden Seile zu den Havarierten geschossen, an denen diese an Land gezogen werden konnten.[8]
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 Beschreibung des Rettungsschuppens als Museum, abgerufen am 11. August 2021
- ↑ Esmann, Wilhelm (2004): Die Rettungsboote der DGzRS von 1865 - 2004, Bremen, S. 106
- ↑ 3,0 3,1 3,2 3,3 Selbstvorstellung der DGzRS Norddeich, abgerufen am 11. August 2021
- ↑ Bericht zur Seenotrettung an den deutschen Küsten, abgerufen am 11. August 2021
- ↑ "Seenot - Frauen an Bord stehen ihren Mann" auf WELT.de, abgerufen am 11. August 2021
- ↑ Bericht der Feuerwehr Norden zum Ersteinlaufen des Bootes, abgerufen am 11. August 2021
- ↑ Beschreibung der 9,5-/10,1-Meter-Seenotrettungsboote, abgerufen am 11. August 2021
- ↑ Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 174ff.