Zichorien-, Kaffeemehl- und Senffabrik Koch

Aus Norder Stadtgeschichte
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Zichorien-, Kaffeemehl- und Senffabrik Koch

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Basisdaten
Gründung 1849
Auflösung vor 1958
Rechtsform unbekannt
Hauptsitz Kleine Mühlenstraße/Große Mühlenstraße

26506 Norden

Die Zichorien-, Kaffeemehl- und Senffabrik Martin Koch war eine 1849 von Martin Koch gegründete Fabrik. Sie befand sich auf dem großen, heute überwiegend zur Deutschen Post (ehem. Seekabelendstelle u.a.) befindlichen Gelände und somit im Winkel zwischen Kleiner und Großer Mühlenstraße. Die postalische Anschrift der Fabrik wäre nach heutiger Hausnummerierung die Große Mühlenstraße 1 (früher 841).[1]

Geschichte

Der aus Aurich stammende Kaufmann Enno Ludwig Oldewurtel erhielt 1839 die Erlaubnis, eine Zichorienfabrik an der Westerstraße anzulegen und sich niederzulassen. Der Betrieb entwickelte sich gut. 1843 erwarb Oldewurtel ein Haus an der Großen Mühlenstraße, 1851 vier Diemat Land nördlich des Ekeler Wegs und 1852 den Hof an der Großen Mühlenstraße 25.[2]

Bereits 1846 beschäftigte Oldewurtel im Durchschnitt zehn Arbeiter, die jährlich 400.000 Pfund rohe Zichorienwurzeln zu Kaffeeersatz verarbeiteten.[2][3] Angebaut wurden diese fast ausschließlich in der Ekeler Gaste. Auf dem ansonsten recht nährstoffarmen Sandboden gedeihten die Pflanzen gut. Als Antriebskraft für die Schneidevorrichtungen in seiner Fabrik diente eine pferdebetriebene Mühle, eine sogenannte Rossmühle.[3]

1849 gründete Martin Koch an der Kleinen Mühlenstraße ebenfalls eine kleine Zichorienfabrik. Als Oldewurtel sein Haus an der Großen Mühlenstraße 25 sowie die Zichorienfabrik 1879 veräußerte, um Am Markt 2 einen Getreide-, Land- und Jagdhandel zu eröffnen, wurde die Fabrik von Koch erworben.[4][5]

1885 beschäftigte die Zichorienfabrik, zu deren Inhaber sich später noch Otto Koch gesellte, sechs Arbeiter und sechs Arbeiterinnen das ganze Jahr über. Gearbeitet wurde an allen Werktagen, und zwar täglich elf Stunden, wie eine erhalten gebliebene Aufstellung aus der Zeit belegt. Die Arbeitszeiten waren wie folgt festgelegt: 06:00 Uhr bis 08:00 Uhr; 08:30 Uhr bis 12:00 Uhr; 13:00 Uhr bis 16:00 Uhr; 16:30 Uhr bis 19:00 Uhr. Die Arbeitspausen blieben für das gemeinsame Frühstück, für das Mittagessen bzw. für das Einnehmen des Vesperbrotes.[3]

Insbesondere in den Herbstmonaten herrschte Hochbetrieb. Die Darren wurden Tag und Nacht beheizt und man brauchte zusätzlich Arbeitskräfte - oft bis zu dreißig Leute. 1885 beantragten die Gebrüder Koch beim Norder Magistrat die Genehmigung zur Aufstellung eines Dampfkessels. Um 1900 statteten die Inhaber den Betrieb mit modernen Deutz-Gas-Motoren aus, die aus eigenen Generatoren gespeist wurden.[3]

1900 errichtete Carl Koch, der Sohn des Gründers, eine Seilerbahn (Reeperbahn) im Garten der Fabrik. 1902 verlagerte er diese an die Westerstraße 13.[6]

Hochkonjunktur verzeichneten alle Norder Zichorienfabriken im Ersten Weltkrieg, als die Zichorie auch für die finanziell besser gestellten Familien kriegsbedingt an die Stelle von Kaffee trat.[3]

Die Produktion von Zichorienkaffee wurde 1938 oder 1939 eingestellt und das Haus mitsamt der großen Scheune auf Abbruch verkauft.[7][8] Neuer Besitzer wurde Dr. Wahnbaeck, der es für 1.600 Reichsmark erwarb und abbrach.[8] Während des Zweiten Weltkriegs wurden hier durch das Baugeschäft von Johann Wilken ein kleiner Bunker sowie ein Lager für russische Kriegsgefangene errichtet.[9] Die in der Zichorienfabrik Koch ebenfalls betriebene Senf-Fabrikation ist bis 1956 weitergeführt worden. Die Umstellung von Dampf- auf Elektrobetrieb war 1947 erfolgt.

In früherer Zeit lieferte die Firma Senf in Holzeimern zu je zehn Kilogramm, später in fünf Kilogramm fassenden Emaille-Behältern. Wie verschiedene Norder berichteten, konnte man sich dort noch in den 1950er Jahren jeweils ein Quantum Senf in kleinen Mengen in einem mitgebrachten Gefäß abfüllen lassen. 1957 fielen die Reste der über hundert Jahre gut florierenden Zichorien- und Senffabrik Koch der Spitzhacke zum Opfer.[3]

Ein Jahr später, 1958, wurde das alte Fabrikgelände von der Cremerschen Eisenwarenhandlung zu Lagerzwecken genutzt, da die eigenen Kapazitäten nicht mehr ausreichten.[10] Hierfür wurde mindestens eine Lagerhalle errichtet, in der sich zuletzt das Tor-Team Arends und die Citipost befanden. Im Sommer 2019 wurde auch diese Halle abgebrochen. Heute befindet sich an der Stelle der früheren Fabrik teilweise der Parkplatz der Oldenburgischen Landesbank. Den Großteil des ehemaligen Fabrikgeländes nimmt jedoch das Grundstück der Post mit der (ehemaligen) Seekabelendstelle ein.

Galerie

Einzelnachweise

  1. Adressbuch der Stadt Norden von 1897/1898, S. 66
  2. 2,0 2,1 Basse-Soltau, Ursula (2007): Biographie des Enno Ludwig Oldewutel, veröffentlicht bei der Ostfriesischen Landschaft
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 3,5 Canzler, Gerhard (1998): Beilage Heim und Herd im Ostfriesischen Kurier vom 8. August 1998
  4. Basse-Soltau, Ursula (2007): Biographie des Enno Ludwig Oldewutel, veröffentlicht bei der Ostfriesischen Landschaft
  5. Brückner, Annemarie / Gerdes, Edo (1984): So war es damals. Bilder aus dem alten Norden, Leer, S. 99
  6. Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 201
  7. Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 236
  8. 8,0 8,1 Zeitzeugenbefragung vom 26. Oktober 2021
  9. Zeitzeugenbefragung vom 29. Oktober 2021
  10. Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 186

Siehe auch