Norder Vertrag

Aus Norder Stadtgeschichte
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Der Norder Vertrag wurde am 21. April 1255 im Kloster Marienthal unterzeichnet. Er gilt als erster gesicherter Nachweis einer urkundlichen Erwähnung Nordens und wird daher fälschlicherweise manchmal auch als dessen Gründungsjahr angesehen. Als Stadt wird Norden erstmalig am 11. November 1491 in einem Dokument der Emder Goldschmiedezunft gesichert erwähnt.

Vertragsgegenstand

Am 21. April 1255 schloss das Emsigerland (historisch Emden und Umgebung) mit der Stadt Bremen einen Vertrag zur Wahrung des Friedens und der Sicherung der Handelswege. Der Vertragstext, der auch Sühnemaßnahmen für bestimmte Straftaten vorsah, wurde im Benediktinerkloster von den Vertragsparteien unterzeichnet und besiegelt. Obgleich der Vertrag für die Stadt Norden an sich eher wenig Bedeutung hatte, gilt er als herausragendes Dokument der Norder Stadtgeschichte, denn hier wird der Ort erstmals namentlich erwähnt. Aus diesem Grund wird das Jahr 1255 heute im Allgemeinen - wenn auch fälschlicherweise - als das Gründungsjahr der Stadt Norden angesehen. Als Stadt wird Norden allerdings erst in einer Rolle der Emder Goldschmiedezunft vom 11. November 1491 bezeichnet.

Dass das Dokument im Kloster Marienthal unterzeichnet wurde, liegt darin begründet, dass dieses einen überaus guten Ruf als Vermittler genoss. Zudem war es neutral gelegenen und war mit keiner der beiden Parteien fest verbunden. Schon 14 Jahre später, am 25. Juli 1269, kam es zu einer Erneuerung des Vertrags, diesmal im benachbarten Dominikanerkloster am Fräuleinshof, das erst wenige Jahre zuvor gegründet wurde.

Das Original des Norder Vertrags wurde über Jahrhunderte im Bremer Staatsarchiv verwahrt und ging in den Wirren des Zweiten Weltkriegs verloren. Seither gilt es als verschollen. Die nachfolgende Übersetzung stammt von dem Norder Altphilologen Gerd Dickers.

Wortlaut

Lateinischer Originaltext

Divina favente gratia abbas de Frebestum, prepositus de Langhene seu Sigeberch, prepositus de Insula, decanus de Emetha, decanus de Uttem, decanus de Hint, abbas de Norda, abbas de Scola Dei, consules et tota plebs Emisgonie et Nordensium universis Christi fidelibus presentem paginam inspecturis eterne beatitudinis premia sempiterna. Cum secundum documenta nostra aliorumque considerata salute semper pacem pro posse nostro cum omnibus servare decrevimus, scire volumus tam natos quam nascituros, quod omnis dissensio,que dyabolo inter civitatem Bremensem ex una parte et terram nostram ex altera fuit exorta, perpetua composicione est sopita et complanata, nec aliquatenus infringi debet, sed sine fine vigere. Verumptamen si casu sinistro emergente aliquis ex nostratibus pacem spoliando infregerit, spolium restituet et cum amicis suis centum marcis Monassteriensis monete, marca per 12 solidos numerata, in dimidio anno post spolium excessum suum emendabit, ad quod compellemus eundem. Cuius emende medietatem civitas Bremensis et terre nostre decani consulesque recipient. Alio— quin parrochia, de qua nefas perpetratum esse dinoscitur, tamdiu divinis, sicut per arbitrium elegerimus, carebit, donec spolium sit restitutum et centum marce iam dicte persolute. Item quicumque de nostratibus ex infortunio sive extra terram sive intra terram aliquem de Bremensibus occiderit, si diiudicatur, nulla sequetur emenda; si vero diiudicatus non fuerit, 16 marcis prefate monete occisum reddet. Item si quispiam ex nostratibus quempiam de burgensibus Bremensibus mutilaverit, debilitaverit, vulneraverit, alapas dederit vel alio quocumque modo inhoneste tractaverit, ubicumque locorum acciderit, prout iusticia eiusdem loci requirit, emendabit. Item si ab archiepiscopo Bremensi seu ab aliquo suo in civitate Bremensi constituto nostratibus aliquid perturbacionis irrogatur, hoc eciam emendatum habere volumus; et e converso, si abbas vel decani seu alii prelati terre Emisgonie Bremenses aliquatenus infestaverint,hoc Bremensibus sicut dictum est emendabitur. Videat eciam quilibet, cum quo mutuum trahat, quia, si accredit solvere non valenti, dummodo iusticia non denegetur, eidem nullas occupaciones seu perturbaciones hinc inde decrevimus sustinere. Et licet quidam excedant et satisfaciant, quia homines sumus et non angeli, tamen propter hoc composicionem prefatam nolumus esse irritam, ut sic pace perpetua gaudeamus. Ut autem hec composicio tam laudabilis rata et inconvulsa sine fine perseveret, presentem paginam conscribi fecimus et sigillis nostris roborari. Huic composicioni interfuerunt abbas da Norda Winandus, abbas Menco de Scola Dei, frater Helpricus Bremensis, prepositus Focco de Insula, Sitatus orator, Folpertus Einretsna, Agga Alderes, Agga Ubbes, dominus Henricus Reineldes, Adda Poppenga. Istam composicionem servare iuraverunt dominus Henricus Donelde, dominus Iohannes filius Gerthrudis, dominus Herwardus de Bersen, dominus Liud— fridus de Walle, consules Bremenses, dominus Iohannes de Haren, dominus Iohannes de Borken, dominus Siricus, Iohannes Codeng (oder: Todeng) ceterique burgenses quamplurimi. Ex parte Emesgonum iuraverunt decanus Dedda de Emetha, Bena Hildesethes, dominus Ulgerus de Felerne, Memma de Felerne, Sebernt Harenga et Metta frater suus, Kempa Walckenga, Habba de Sutherhusem, Kempa de Felerne, et de diversis villis plures alii. Datum in Norda, anno Domini M° CC° LV° , IIII ta feria ante festum Georgi.

Hochdeutsche Übersetzung

Mit Gottes gnädiger Huld (versprechen) der Abt von Freepsum, der Propst von Langen oder auch Sigeberg, der Propst von Aland, der Dekan von Emden, der Dekan von Uttum, der Dekan von Hinte, der Abt von Norden, der Abt von Schola Dei, die Konsuln und das ganze Volk des Emsiger- und des Norderlandes allen Christgläubigen, welche die vorliegende Urkunde einsehen werden, immerwährende Belohnungen ewiger Glückseligkeit.

Da wir gemäß den Lehren unter dem Gesichtspunkt der eigenen und der Sicherheit anderer beschlossen haben, stets nach besten Kräften Frieden mit allen zu wahren, wollen wir, dass sowohl die (schon) Geborenen als besonders auch die Nachgeborenen wissen, dass jeglicher Streit, der durch den Teufel zwischen der Stadt Bremen auf der einen und unserem Land auf der anderen Seite ausgebrochen war, durch einen dauerhaften Vertrag ganz beigelegt ist (und dieser Vertrag) in keinerlei Weise gebrochen werden darf, sondern auf ewig gültig sein soll.

Wenn aber doch der unheilvolle Umstand eintritt und einer von unseren Landsleuten den Frieden durch Plünderung gebrochen hat, wird er das Beutegut zurückgeben und zusammen mit seinen Gefolgsleuten mit hundert Markmünsterschen Geldes — die Mark zu 12 Solidi gerechnet — innerhalb eines halben Jahres nach der Plünderung seinen Frevel sühnen, wozu wir ihn drängen werden. Je die Hälfte dieses Sühnegeldes werden die Stadt Bremen und die Dekane und Konsuln unseres Landes erhalten. Im Übrigen wird die Pfarrgemeinde, von der aus das Verbrechen nach gesicherter Erkenntnis begangen wurde, solange ohne Gottesdienst sein, wie wir durch Schiedsspruch entschieden haben, bis das Beutegut zurückerstattet ist und die schon genannten hundert Mark bezahlt sind.

Ebenso: Wenn irgendwer von unseren Landsleuten unglücklicherweise außerhalb oder innerhalb unseres Landes einen von den Bremern tötet, wird keine Geldstrafe folgen, sofern es zu einer Verurteilung kommt; wird er aber nicht verurteilt, so wird er die Tötung mit 16 Mark vorgenannten Geldes wiedergutmachen.

Ebenso: Wenn irgendwer von unseren Landsleuten irgendeinen von den Bremer Bürgern verstümmelt, verletzt, verwundet, geohrfeigt oder in irgendeiner anderen Form unehrenhaft behandelt hat, gleichgültig wo dieses geschehen ist, wird er sühnen, je nachdem es die Rechtsprechung des Tatorts verlangt.

Ebenso: Wenn vom Bremer Erzbischof oder einem seiner Leute in der Stadt Bremen unseren Landesbewohnern irgendein Schaden zugefügt wird, wollen wir auch dies gesühnt wissen; und umgekehrt, wenn ein Abt oder Dekane oder auch andere geistliche Würdenträger des Emsgaus Bremer in irgendeiner Weise angreifen, wird dies den Bremern, wie gesagt, gesühnt werden.

Es achte auch ein jeder darauf, mit wem er einen Darlehensvertrag abschließt, weil wir nämlich beschlossen haben, dass, wenn er einem Zahlungsunfähigen einen Kredit einräumt, sofern nur der Rechtsweg nicht verwehrt wird, demselben keinerlei Behinderungen oder Störungen von beiden Seiten erwachsen dürfen.

Und selbst wenn manche hiergegen verstoßen und Genugtuung leisten, da wir ja Menschen sind und keine Engel, wollen wir dennoch nicht, dass der obengenannte Vertrag deswegen ungültig sei, um uns so ewigen Friedens zu erfreuen.

Damit aber dieser so löbliche Vertrag rechtskräftig und unumkehrbar auf immer von Bestand sei, haben wir die vorliegende Urkunde niederschreiben und mit unseren Siegeln bekräftigen lassen. An diesem Vertrag haben mitgewirkt: Abt Winand von Norden, Abt Menko von Schola Dei, Frater Helprich von Bremen, Propst Focko von Aland, Sitat, der Sprecher des Norderlandes, Folpert Reinetsna, Aggo Aldersna, Aggo Ubben, Herr Heinrich Reinelts und Addo Poppenga.

Diesen Vertrag einzuhalten schworen: Herr Heinrich Donelde, Herr Johann, Sohn der Gerthrudis, Herr Herward von Bersum, Herr Lutfried von Walle, die Bremer Ratsmänner, Herr Johann von Haren, Herr Johann von Borkum, Herr Sirk, Johann Kodeng (oder: Todeng) und eine stattliche Zahl anderer Bürger. Seitens der Emsgauer schworen: Dekan Deddo von Emden, Beno Hildesethes, Herr Ulger von Faldern, Memmo von Faldern, Sebernt (bzw. Sibrand) Harenga und sein Bruder Metto, Kempo Walckenga, Habbo von Suurhusen, Kempo von Faldern und mehrere andere aus verschiedenen Dörfern.

Gegeben zu Norden im Jahre des Herrn 1255 am vierten Tag vor dem Fest des (heiligen) Georg.

Quellenverzeichnis

  • Canzler, Gerhard (1997): Alt-Norden, Weener, S. 10
  • Friedlaender, Ernst: Ostfriesisches Urkundenbuch Bd. 1, Emden 1874-76, Urkunde Nr. 26 und 28

Siehe auch