Molkerei (Norden)

Aus Norder Stadtgeschichte
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Alte Molkerei

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Basisdaten
Entstehungszeit 1880 (1878)
Erbauer Molkereigenossenschaft Norden
Bauweise Molkerei
Erhaltungszustand erhalten (Betrieb 1992 eingestellt)
Genaue Lage Molkereilohne 35

26506 Norden

Die Alte Molkerei an der heutigen Molkereilohne 35 wurde 1879 von der durch Dr. Adolf Wegner initiierten Molkereigenossenschaft Norden errichtet. Nach der Schließung der Molkerei wurde das größte Gebäude (ehemaliges Sanatogen- bzw. Milchpulverwerk) zu einem Mehrparteienhaus umgebaut. In einem Nebengebäude befindet sich heute die Firma Everwien. Wie auch der Schornstein der Brennerei Doornkaat ist jener der alten Molkerei maßgeblich an der Prägung des Stadtpanoramas beteiligt.

Geschichte

Nachdem er bereits bei der Gründung der Landwirtschaftsschule eine tragende Rolle gespielt hatte, wandte sich Dr. Adolf Wegner im Jahre 1878 in einer Annonce im Ostfriesischen Kurier an die örtlichen Bauern mit der Aufforderung, sich genossenschaftlich zu vereinigen, um die Absatzmöglichkeiten und die Produktqualität zu erhöhen. Gängige Praxis war, dass die Bauern ihre Milchprodukte auf ihren Höfen selbst verarbeiteten, was zu sehr unterschiedlichen Qualitätsstufen führte. Wegner sah hier deutlich Verbesserungspotential, insbesondere durch die Erfindung der industriellen Butterherstellung im selben Jahr durch den Schweden Carl Gustav Patrik de Laval.[1]

Am 26. November 1878 kamen Wegner sowie 19 Landwirte in der Marxschen Bierhalle zusammen und konstituierten die Molkereigenossenschaft Norden. Die Bauern konnten zusammen 109 Milchkühe vorweisen, aus deren Milch man ab dem 30. März 1880 gemeinschaftlich bzw. genossenschaftlich Milchprodukte wie beispielsweise Käse herstellte. Produktionsort war die ab 1879 errichtete Molkerei an der heutigen Molkereilohne 35, wobei sich das erste Hauptgebäude und die eigentliche Molkerei im Winkel der Lohne zur Westerstraße befand.[1] Insgesamt verschlang der Bau bis zur vollständigen Fertigstellung zum 1. Mai 1882 rund 50.500 Mark, wobei gerade einmal 5.000 Mark auf den Erwerb des Grundstücks entfielen. Für weitere 13.200 Mark wurden Maschinen angeschafft.[1]

Das Land für den Bau der Molkerei wurde von der katholischen Gemeinde erworben, die das Land ursprünglich für den Bau ihrer Kirche nutzen wollte, dann aber dank eines bischöflichen Darlehens den Bau an der favorisierten Osterstraße in Angriff nehmen konnten.[1][2]

Um geeignete Nachwuchskräfte auszubilden, gründete die Molkereigenossenschaft einhergehend mit dem Bau der Molkerei eine Molkereischule, die bereits 1878 gegründet wurde und ihren Platz ebenfalls in dem Hauptgebäude an der Westerstraße fand.[3]

Schwierigkeiten bereitete der jungen Molkerei vor allem die schlechten Wegeverhältnisse der damaligen Zeit. Befestigte Straßen waren damals noch eine absolute Seltenheit, sodass die Wege im Winter schwer oder gar nicht zu befahren waren. Dies führte zu Lieferengpässen an Rohmilch, sodass in schlechten Tagen kaum Molkereiprodukte hergestellt und abgesetzt werden konnten.[4] Da die Bauern sowohl am Gewinn, aber auch am Verlust der genossenschaftlichen Molkerei beteiligt waren, waren die wirtschaftlichen Folgen dadurch nicht unerheblich. Um diesem Missstand zu begegnen, einigte man sich auf die Zahlung erhöhter Preise pro Liter Milch zur Winterzeit (12 Pfennig gegenüber 8 Pfennig im Sommer), um den Bauern einen besseren Anreiz für ihre Mühen bei der Anlieferung zu geben.[5]

In den Folgejahren wuchsen die Absatzzahlen stetig. Wurden im Anfangsjahr noch 400.000 Liter Milch pro Jahr verarbeitet, waren es 1895 schon 2 Millionen Liter. In den Folgejahren wuchs diese Zahl stetig und lag 1989 schließlich bei 60 Millionen Litern. Aufgrund der guten Geschäfte eröffnete die Genossenschaft auf Norderney eine auch heute noch als Milchbar bekannte Ausschankstelle. 1891 erwarb die Molkereigenossenschaft ein Grundstück Am Kalkwarf sowie das östlich der Firma Döpke gelegene Land an der Mackeriege.[5]

Der Erste Weltkrieg und insbesondere die Zeit danach führte auch für die Molkerei zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die vor allem darin begründet waren, dass die Bauern ihre Butter wieder selbst herstellten, um diese gegen andere Gegenstände einzutauschen.[5] Aufgrund der horrenden Inflation der 1920er Jahre war Geld praktisch nichts mehr wert, sodass Tausch- und Schwarzmarktgeschäfte die Regel wurden. Erst 1925 erreichte die angelieferte Milchmenge wieder das Vorkriegsniveau.[6]

1914 wurde das Molkereigelände um einen langgestreckten Ziegelsteinbau mit Schornstein erweitert (hier befindet sich heute ein Mehrparteienhaus). In dem Neubau produzierte ein Fabrikant aus Gronau aus Magermilch gewonnenes Milchpulver. Das Werk wurde auch Sanatogenwerk (Milchpulverwerk) genannt. Die Zusammenarbeit zwischen der Norder Molkerei und dem auswärtigen Betreiber (Bauer u. Cie., Berlin) erwies sich zunächst als förderlich, doch schon wenig später konnten die vorhandenen Milchpulverkapazitäten nicht mehr genutzt werden, sodass die Genossenschaft das Sanatogenwerk im Jahre 1929 zu einem Preis von 50.000 Mark erwarb. Auf Beschluss der Mitgliederversammlung begann man noch im selben Jahr damit, die Molkereiproduktion auf die Bedürfnisse der Schokoladenindustrie anzupassen. Bekannte Hersteller wie Stollwerk, Mauxion und Trumpf gehörten zu den Abnehmern der Norder Molkerei.[6]

Seit 1928 (bis 1973) wurde die Milch schließlich durch eine eigens dafür gegründete Milchlieferungsgenossenschaft Norden Kreis bewerkstelligt. Danach wurde diese unmittelbar mit der Molkerei verschmolzen. 1932 begann man dann

1938 musste der Schornstein des Sanatogenwerks durch den Einbau einer neuen Kesselanlage mit einer Heizfläche von 200 m² umgebaut werden. Dieser wurde durch typisch ostfriesische Klinker verstärkt und auf 38 Meter erhöht.[7]

Der ein Jahr später einsetzende Zweite Weltkrieg brachte zunächst kaum Veränderungen im Betriebsalltag mit sich, auch die Produktionsmengen konnten hochgehalten werden. Dies war möglich, da zum Kriegsdienst verpflichtetes Personal durch russische Kriegsgefangene ersetzt wurde.[7] Seit August 1943 wurden dann auch Gemüse zur Konservierung getrocknet und eine Anlage zur Herstellung von Zuckerrübensirup in Betrieb genommen. Diese Anlagen existierten noch bis 1953, als sie aus wirtschaftlichen Gründen aufgegeben wurden.

Erst die Nachkriegszeit erwies sich als schwierig, 1947 wurde mit 5 Millionen Litern ein neuer Tiefstwert bei der Milchanlieferung erreicht. Auf Druck der Bezugs- und Absatzgenossenschaft wurde die Werksleitung daher 1951 ausgetauscht. Erst 1953 wurde das Vorkriegsniveau wieder erreicht. Die positive Entwicklung der Molkerei wird hierbei vor allem dem Vorsitzenden der Molkereigenossenschaft Dr. Friedrich Swart zugeschrieben.[8]

Da die Milchanlieferung in den 1960er Jahren weiter anstieg, wurde ein Neubau notwendig, der 1962 bis 1963 südöstlich des Sanatogenwerks errichtet wurde (hier befindet sich heute die Firma Everwien).[8][9] Währenddessen (1963) wurde die Milchtrockungsanlage stillgelegt und die Milchtrockung in eine Großanlage nach Leer verlegt, um Kosten zu sparen.[8] Zur Jahreswende 1963/1964 wurde das neue Produktionsgebäude in Betrieb genommen.

Aufgrund der guten Entwicklung konnte die Norder Molkerei schon bald weitere umliegende Molkereien übernehmen und dank eines neu errichteten Milchlagers auch Tankwagen einsetzen. 1967 wurde die Molkerei in Hilgenriedersiel übernommen, 1973 jene in Marienhafe und 1981 schließlich die Süderneulander Molkerei.[8] Bereits 1976 war man in Verhandlungen mit der Süderneulander Molkerei getreten, wonach fortan nur noch in der Norder Molkerei produziert werden sollte. Hintergrund war der immer schärfer werdende Konkurrenzkampf unter den deutschen Molkereien, denen es mit Fusionen zu begegnen galt.

In den 1970er Jahren und noch mehr in den 1980er Jahren wuchsen die wirtschaftlichen Probleme der Molkerei, sodass der Mitarbeiterstamm immer weiter verkleinert werden musste. Allein von 1983 bis 1989 wurde das Personal um über 50 % (von 41 auf 20) Mitarbeiter reduziert.[10] Auch eine Kooperation mit der MZO Oldenburg/Ostfriesland sowie deren Tochterunternehmen Botterbloom konnte die schwächelnde Molkerei nicht retten, sodass diese im Jahre 1992 schließlich geschlossen werden musste.

Neben der Firma Everwien wird das ehemalige Sanatogenwerk heute als Mehrparteienhaus genutzt. Hier befinden sich unter anderem mehrere Sozialwohnungen, die nur von Personen mit entsprechendem Wohnberechtigungsschein gemietet werden können. Der Schornstein des ehemaligen Sanatogenwerk ist erhalten und ortsbildprägend, der der ursprünglichen Molkerei wurde abgebrochen.

Genossenschaftsvorsitzende

Aufsichtsratsvorsitzende

Geschäftsführer

Trivia

In den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs verbrannten die Nationalsozialisten im Schornstein der Molkerei belastendes Material, um dieses dem Zugriff der herannahenden Alliierten zu entziehen.[11]

Galerie

Literatur

  • Molkerei Norden (1978): 100 Jahre Molkerei Norden. 1878-1978, Norden

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 256
  2. Foraita, Heinz (1985): Dein sind die Zeiten, Herr. Die Geschichte der Katholischen Gemeinde Norden. Herausgegeben zur 100-Jahr-Feier der St.-Ludgerus-Kirche zu Norden, Norden
  3. Canzler, Gerhard (1997): Alt-Norden, Weener, S. 77
  4. Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 257
  5. 5,0 5,1 5,2 Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 258
  6. 6,0 6,1 Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 259
  7. 7,0 7,1 Beschreibung von Norden in der historischen Ortsdatenbank der Ostfriesischen Landschaft
  8. 8,0 8,1 8,2 8,3 Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 260
  9. Medienzentrum des Landkreises Aurich (Bildarchiv: 1300133.tif)
  10. Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 261
  11. Forster, Hans / Schwickert, Günther (1988): Norden. Eine Kreisstadt unterm Hakenkreuz, Norden, S. 302f.

Siehe auch