Gebrüder Freese
Gebrüder Freese | |
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Basisdaten | |
Gründung | um 1900 |
Auflösung | nach 1945 |
Rechtsform | unbekannt |
Hauptsitz | Westerstraße 85
26506 Norden |
Die Firma Gebrüder Freese waren ein an der Westerstraße 85 ansässiges Unternehmen mit Schwerpunkt auf den Fahrzeugbau. Während in früheren Jahren sogar Kraftfahrzeuge zum Portfolio der Gebrüder gehörten, befasste man sich später vor allem mit dem Bau von Fahrrädern. Mit einem selbstgebauten Automobil gründeten sie 1908 zudem das erste örtliche Taxiunternehmen.
Geschichte
Die Gründung des Unternehmens geht auf Casjen Behrends Freese, den Vater der Gebrüder Carl und Johann Freese, zurück, der von 1871 bis 1899 eine Schmiede an der Westerstraße 10 betrieb. Das Gebäude wurde 1903 verkauft, die Söhne errichteten ein Jahr später an der gegenüberliegenden Westerstraße 85 ein stattliches Wohn- und Geschäftshaus mit einliegenden Werkstätten.[1] Heute befinden sich dort vor allem Arztpraxen.
Sowohl Carl als auch Johann hatten das Handwerk des Schlossers und Schmieds im väterlichen Betrieb erlernt, letzterer war zusätzlich als Hufbeschlagsschmied ausgebildet. So war Johann vor allem für den alltäglichen Betrieb zuständig, während sich Carl den Neuerungen des aufkommenden Maschinenzeitalters widmete. Zunächst beschränkte sich sein Wirken vor allem auf den Vertrieb von Nähmaschinen sowie den Fahrradbau und -erweiterungen.[2] Das Fahrrad in seiner heutigen Form war erst wenige Jahre zuvor erfunden worden. Kurz nach dem Zusammenschluss von Carl und Johann namen sie auch ihren jüngeren Brüder Ulrich Freese in den Betrieb auf.[1]
Um den Bekanntheitsgrad des von ihm als hochinteressant angesehenen Fahrrads zu steigern, nahm Carl an zahlreichen Radrennen frei und gründete einen Radfahrverein namens Fresena. Mit einem selbstgebauten Rennrad fuhr er in jeder Mittagspause vom Betriebssitz zur Mole Norddeich, die erst wenige Jahre zuvor fertiggestellt wurde und erntete dabei viele interessierte Blicke. Ein von ihm konzipiertes Hochrad mit variabler Befestigungsmöglichkeit der Tretkurbel befindet sich heute im Heimat- und Teemuseum. Trotz guter Umsätze und dem Erwerb nationaler und ausländischer Patente stellte man die Fahrradproduktion 1911 ein.[2]
Von 1902 bis 1903 versuchte sich das Unternehmen auch im Bau von Kraftfahrzeugen. Die dafür benötigten Einzelteile wurden zu einem großen Teil von den Gebrüdern selbst geschmiedet, als Plan fungierte eine im Maßstab 1:2 ausgelegte Zeichnung auf dem Küchenboden. Mithilfe weiterer benachbarter Handwerker wurden die Karosserie (hergestellt von Heinrich Janssen), die Sitze (Sattlermeister Jann Eden) und die weiteren benötigten Bestandteile hergestellt. Den Kühler lieferte Klempnermeister Heinrich Ihmels, der seine Werkstatt Am Markt, hatte. Nur der Motor, den Carl Freese auf der Weltausstellung 1896 in Paris erwarb sowie die Feintechnik wurde von auswärtigen Herstellern bezogen. Der Einbau des Motors verursachte naturgemäß große Schwierigkeiten, doch schafften die Gebrüder es, den Motor in Gang zu bringen. Das dafür benötigte Benzin erwarb man bei der Schwanen-Apotheke. Die Lackierung erfolgte letztendlich durch Malermeister Wilhelm Themann.[3]
Ein voller Erfolg wurde die erste Fernfahrt der Norda, wie das Auto genannt wurde, nach Aurich, die zwar mehrere Stunden dauerte, aber dennoch eine echte Pionier- und Meisterleistung darstellte. Der Erfolg der Norda zog derart große Kreise, dass ein Tuchfabrikant aus Breslau (heute Polen) diese erwarb und selbstständig in seine Heimatstadt überführte. Bedenkt man, dass es damals praktisch noch keine Tankstellen gab, kann dies als echtes Abenteuer gesehen werden.[4] Hinzu kommt die durchaus schwache, aber für damalige Zeiten ansehnliche Motorleistung von gerade einmal 8,5 PS.[5]
Nach dem Erfolg der Norda baute das Unternehmen ein weiteres Automobil, das sie im Februar 1908 amtlich als Personenbeförderungsfahrzeug anmeldeten. Damit können die Gebrüder als erstes Norder Taxiunternehmen betrachtet werden. Im genannten Jahr mussten erstmals auch in Norden Führerscheinprüfungen absolviert werden, um Kraftfahrzeuge führen zu dürfen.[4]
Der einsetzende Erste Weltkrieg brachte den Betrieb vorläufig zum Erliegen, da alle drei Brüder zum Kriegsdienst einberufen wurden und es damit niemanden gab, der das Unternehmen hätte fortführen können. Erst nach Kriegsende konnte die Produktion wieder aufgenommen werden, doch schon 1923 starb mit Carl der Innovationsmotor des Unternehmens. Zwar befasste sich auch Ulrich mit der Elektrotechnik und damit einem neuen Feld, doch als auch Johann seinen Beruf wegen körperlicher Gebrechen ab 1934 nicht mehr ausüben konnte, war das Ende des Unternehmens abzusehen. Endgültig kam der Betrieb nach dem Zweiten Weltkrieg zum Erliegen, da die Freeses, wie viele mittelständische Unternehmen, den immensen Herausforderungen der Nachkriegszeit nicht standhalten konnten.[4]
Das Gebäude wurde wenig später der Apothekersfamilie Groeneveld erworben, die seit jeher die anliegende Rats-Apotheke betreibt. Nach einer gelungenen Renovierung zog im vorderen Teil die Ubbo-Emmius-Buchhandlung ein, während im hinteren Teil sich schon bald mehrere Ärzte niederließen.[6] Die Buchhandlung gibt es nicht mehr, doch nach wie vor sind zahlreiche Ärzte hier ansässig, sodass die angrenzende Lohne auch Dokters Pad genannt wurde und wird.
Galerie
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Bericht im Ostfriesischen Kurier (Heim und Herd) aus dem Jahre 1977.
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Bericht im Ostfriesischen Kurier (Heim und Herd) aus dem Jahre 1977.
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Bericht im Ostfriesischen Kurier (Heim und Herd) aus dem Jahre 1977.
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 208
- ↑ 2,0 2,1 Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 209
- ↑ Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 210
- ↑ 4,0 4,1 4,2 Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 211
- ↑ Haddinga, Johann (2001): Norden im 20. Jahrhundert, Norden, S. 9
- ↑ Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 212