Mennonitenkirche

Aus Norder Stadtgeschichte
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Mennonitenkirche

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Basisdaten
Entstehungszeit 1662-1835
Erbauer Engelbert Kettler
Bauweise Schlossähnliche Stadtvilla
Erhaltungszustand erhalten
Genaue Lage Am Markt 16-18

26506 Norden

Die Mennonitenkirche (auch: Kettler'sches Haus) wurde 1662 ursprünglich als städtisches Wohnhaus erbaut. Seit 1795 dient es der Norder Mennonitengemeinde als Kirche, deren geistliches Zentrum sich bis dahin im Bereich Am Markt 27 befand.

Das Gebäude umfasst drei Grundstücke, die bis dato eigenständig waren. Links befand sich ursprünglich eine Scheune, die zum Haupthaus (in der Mitte; erbaut 1662) gehörte. Das linke Gebäude wurde nach dem Abbruch der Scheune 1796 errichtet. Rechts befand sich einst die Süderpastorei, die für die Süderkluft zuständig war sowie später eine Gastwirtschaft namens Koloss von Rhodos. Dieser Teil wurde 1835 neu errichtet.

Der Abschnitt zur Geschichte der Süderpastorei wird aufgrund des Umfangs weiter unten gesondert behandelt (siehe Abschnitt Süderpastorei).

Geschichte

Das Hauptgebäude in der Mitte (Am Markt 17) wurde 1662 ursprünglich als städtisches Wohnhaus von dem wohlhabenden Amtsverwalter und Rechtsanwalt Engelbert Kettler erbaut, dem auch das Haus Wirde zuzurechnen ist. Fortan war es viele Jahre als Kettler'sches Haus bzw. Kettlerhaus bekannt.[1] Der Überlieferung nach soll Kettler das Haus für seine Frau Johanna Berck, einer Niederländerin, gebaut haben. Bereits am 8. Dezember 1554 wurde in dem Vorgängerbau ein Mann namens Rolf Cuper erwähnt, der sein Haus an besagtem Tage an den Erbaren und Erentfesten Phillipus van Dorp verkauft hatte.[2]

Nach dem Tode Kettlers im Jahre 1676 ging das Haus, das seinerzeit die Anschrift Süderkluft, Nr. 387 hatte, an seinen Sohn Johann Diedrich Kettler. Dieser wiederum vererbte es seiner Tochter Charlotte Juliane Kettler, die mit dem Kapitän Adolf van Leeuwen verheiratet war.[3][2] Nach dem Tode van Le(e)uwen wurde das Haus vom Makler Johann Schatteborg am 31. Dezember 1750 an Leonard Meinders und dessen Ehefrau Anna Margaretha Meinders für 4.560 Gulden verkauft.[2]

Am 15. Februar 1779 erwarb Bürgermeister Haaß das Kettler'sche Haus für 6.300 Gulden in Gold.[2][3] Nach seinem Tode ging das Haus an seine Witwe Nicolai Haaß, geborene Damm, die es ihrer Tochter aus erster Ehe Hermanna Nicolai Hoppe, geborene Damm vermachte.[3]

Am 2. März 1795 kam das Gebäude an die Mennonitengemeinde, die es - in Ermangelung eigener Körperschaftsrechte - über den aus Neustadtgödens stammenden, gebürtigen Norder Kaufmann Doede Lübberts Cremer für 9.100 Gulden in Gold erwarb, in den Besitz des Hauses.[2][4] Dieser verschwägerte sich später durch Heirat seiner Tochter Antje mit dem mennonitischen Jan ten Doornkaat Koolman.[5] Bereits vor dem Bau bzw. Erwerb der Kirche besaß die Gemeinde ein eigenes Gebeteshaus (Vermaning) im Bereich Am Markt 29.[6][7] Im 18. Jahrhundert spaltete sich die Gemeinde in eine flämische und waterländische Gemeinde. Im April 1780 kam es schließlich zur Wiedervereinigung beider Norder Gemeinden. Bereits zuvor hatte sich die Mennonitengemeinde in der Krummhörn der flämischen Gemeinde angeschlossen.[6]

1796 wurde der linke (östliche) Flügelanbau errichtet.[1] Die Gemeinde war am 2. März 1795 Eigentümer des Hauses Am Markt 16 geworden, das sich ursprünglich direkt neben dem heutigen Rathaus befand. Auf dem Grund der heutigen Hausnummer 16 befand sich eine Scheune.[2]

Im Inneren des Hauses wurden anschließend umfangreiche Umbauarbeiten durchgeführt, die bis 1797 andauerten.[8] Im linken Teil des Gebäudes entfernte man die Zwischendecke, sodass ein zweistöckiger Kirchsaal für rund 150 Personen entstehen konnte. Die Innenarchitektur ist - einzigartig unter den deutschen Mennonitenkirchen - vom Stile des Rokoko geprägt. Einen besonderen Blickfang bildet - abgesehen von Kanzel und Abendmahlstisch - der Deckenschmuck, ein Schablonengemälde aus dem Jahr 1900.

Die marktseitige Fassade zieren so genannte Fruchtgehänge. Die Gebäude rechts und links des Haupthauses wurden erst später erworben und in der Fassadengestaltung dem Hauptgebäude angepasst. Auf dem Dach des Haupthauses befindet sich ein kleiner Kirchturm, der jedoch kein Geläut besitzt. 1835 wurde der rechte (westliche) Flügelanbau auf dem Grund des dortigen Vorgängerbaus errichtet.[1] Auf dem Grund des rechten Flügels war das Gebäude der Süderpastorei, der für die Süderkluft zuständige Pastorensitz.[9] Die Geschichte der Süderpastorei befindet sich unten in diesem Artikel.

Die Orgel wurde im Jahre 1900 von den Gebrüdern Link erbaut. Das Schleifladen-Instrument hat 12 Register auf zwei Manualwerken und Pedal. Die Trakturen sind pneumatisch.[10]

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Flüchtlinge in der Kirche einquartiert, die dort zum Teil noch bis in die 1980er Jahre wohnten.[2] Ebenso in der Nachkriegszeit ließ die britische Militärregierung ihre ersten Anordnungen an der Außenmauer der Mennonitenkirche veröffentlichen.[11]

In den 1970er Jahren wurde das Dach mit einer aluminiumbeschichteten Dachpappe verdichtet. Mitte der 1990er Jahre wurde die Pastorenwohnung renoviert.

2006 folgte eine Restaurierung der Außenfassade sowie im November 2008 von Dach und Gebälk, die morsch geworden waren. Auch das Dachtürmchen wurde auf Vordermann gebracht. Gefördert wurden sämtliche Maßnahmen durch Gelder des Landkreises Aurich, des Landes Niedersachsen und der Europäischen Union. Das Auftragsvolumen umfasste etwa 170.000 Euro.[8] Zwei bislang privat genutzte Wohnungen innerhalb der Mennonitenkirche wurden 2009 in Gruppenräume umgewandelt und Ende August desselben Jahres ihrer Bestimmung gegeben.[12]

Beschreibung

Die traufseitige Front zum Marktplatz wird durch eine Pilastergliederung und eine doppelläufige Freitreppe geprägt. Über den Fensters des Erdgeschosses befinden sich in Sandstein gearbeitete Fruchtgehänge. Der linke Flügelanbau ist 1796 und der rechte 1835 angefügt worden.[1] Zuvor befand sich auf dem Grund des rechten Flügels das Gebäude der Süderpastorei, der für die Süderkluft zuständige Pastorensitz (siehe nächster Abschnitt).[9]

Zum Haus gehörte ein im rückwärtigen (südlichen) Bereich befindliches Gulfhaus mit Stallungen für Kühe und Pferde. Dazu kamen eine Scheune und einer großer Obst- und Küchengarten.[3]

Süderpastorei

Die Süderpastorei war einer der vier für jeweils eine Kluft zuständigen Pastoreien. Erstmals wurde eine solche Pastorei im Jahre 1554 erwähnt. Bewohner in jener Zeit war Elehard Schounicht. Er war bereits vor der Reformation als Geistlicher tätig, wohl bedingt durch diese war es ihm später möglich geworden, zu heiraten.[13] Schounicht war Anteilseigner an einem Handelsschiff. Sein Sohn Lambert verhandelte am 25. Mai 1560 über die Veräußerung dieses Schiffsparts. Eine zum Haus gehörende Scheune wurde bereits 1594 durch die Kirche, der das Gebäude gehörte, verkauft.[14]

Um 1600 wohnte Pastor Elsenius im Haus der Süderpastorei, welches seit jeher der Kirche gehörte. Elsenius trat auch als Geschichtsschreiber für die Pestepidemie 1611, der er selbst erlag, und weitere Ereignisse in Erscheinung. So berichtete Elsenius, dass eine Abordnung des römisch-deutschen Kaisers am 25. Juli 1593 im benachbarten Hause Am Markt 20 eingezogen waren.[14]

In einem Protokoll vom 23. April 1693 wurde die Süderpastorei erneut erwähnt. Das eher bedeutungslose Dokument behandelt die Unterhaltung eines Zauns zwischen der Süderpastorei und dem Kettler'schen (Haupt-)Haus. Zu jener Zeit wohnte in der Süderpastorei der Pastor Hajo König, der am 4. Mai 1702 verstarb. Wenig später veräußerte die Kirche das Haus. Erster bekannter Besitzer wurde der Bäckermeister Dirk Reinder, der das Haus mit Erlaubnis seiner Mutter Antje Willems Sweers, die dort schon mit ihrem Ehemann wohnte, veräußern wollte. Am 25. Juli 1738 wurde das Haus sodann für 700 Gulden an Frau Pastorin Röhsing veräußert.[14]

Pastorin Röhsing wohnte hier zunächst mit ihrem Ehemann Wiard van Velsen. Später wohnte Pastorin Pfeiffer hier zur Miete. Dann wurde das Haus von den Erben van Velsen am 3. Juni 1779 auf Erbpacht an den Stadtdiener Tobias Remmer und seiner Ehefrau Hilcke Albertus Gnapheus für 450 Gulden Anzahlung und einem jährlichen Erbpachtzins von 22,5 Gulden verkauft.[14]

Am 29. August 1803 erwarb Anton Bernhard Sievcke die ehemalige Pastorei für 5.350 Gulden in Gold und vererbte das Haus nach seinem Tod an seine vier Kinder. Diese verkauften es am 4. März 1811 an den Kleidermacher Lubbe H. Muller für 4.500 Gulden. Nur ein dreiviertel Jahr später, am 23. Dezember 1811, tauschte der Wirt Albartus Wolters Gärtner sein an Haus an der Osterstraße 140 (damalige Anschrift: Osterkluft, 4. Rott, Nr. 63) gegen die ehemalige Süderpastorei.[14] Fortan befand sich hier viele Jahre eine Schankwirtschaft namens Koloss von Rhodos.[15] Am 15. Dezember 1834 übernahm die Mennonitengemeinde das Gebäude für 1.890 Gulden, ließ es abbrechen und 1835 einen Neubau errichten, in dem der Prediger wohnen sollte.[14] Auch heute noch wird dieses Gebäude vom zuständigen Prediger bewohnt.[3]

Galerie

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 Pühl, Eberhard (2007): Alte Backsteinhäuser in Ostfriesland und im Jeverland. Backsteinbauten des 15. bis 19. Jahrhunderts, Oldenburg, S. 166
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 2,6 Schreiber, Gretje (1992): Der Norder Marktplatz und seine Geschichte bis heute, Aurich, S. 62
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 Canzler, Gerhard (1997): Alt-Norden, Weener, S. 56
  4. Clemens, Michael (2006): Eine Gemeinschaft mit Tradition, in: Ostfriesischer Kurier vom 17. Juni 2006, S. 33
  5. Stammbaum der Familie Herlyn, abgerufen am 22. März 2021
  6. 6,0 6,1 Vorstellung der Mennonitengemeinde, abgerufen am 23. März 2021
  7. Schreiber, Gretje (1992): Der Norder Marktplatz und seine Geschichte bis heute, Aurich, S. 85
  8. 8,0 8,1 Bericht der Ostfriesen Zeitung, Ausgabe vom 6. März 2008, S. 21
  9. 9,0 9,1 Die Geschichte der Theelacht, abgerufen am 7. September 2021
  10. Informationen zur Orgel, abgerufen am 1. Mai 2021
  11. Haddinga, Johann (2001): Norden im 20. Jahrhundert, Norden, S. 44
  12. Artikel auf Mennonews.de, abgerufen am 23. März 2021
  13. Schreiber, Gretje (1992): Der Norder Marktplatz und seine Geschichte bis heute, Aurich, S. 64
  14. 14,0 14,1 14,2 14,3 14,4 14,5 Schreiber, Gretje (1992): Der Norder Marktplatz und seine Geschichte bis heute, Aurich, S. 65
  15. Cremer, Ufke (1955): Norden im Wandel der Zeiten, Norden, S. 81

Siehe auch